M. Tullius Cicero -
Tusculanae disputationes
45 v. Chr., unter dem
Militärdiktator C. Iulius Caesar
Inhaltsübersicht
Thorwald Cornelius Franke
25. August 1997 - 7. März 1998
(gelesen: Juli - 9. November 1997)
Kursiv: Hervorhebungen oder
Kommentare
Erstes Buch:
Der Tod ist kein Übel.
Er ist ein Gut, wenn
die Seele den Tod überdauert.
Zweites Buch:
Der Schmerz, der ein
viel kleineres Übel als die Schande ist, kann im Hinblick auf das Ehrenhafte
ertragen werden.
Drittes Buch:
Der Kummer, die größte
Leidenschaft, beruht allein auf Meinung und kann durch umfassendes Begreifen
überwunden werden.
Viertes Buch:
Jede Leidenschaft
beruht auf Meinen und kann somit geheilt werden.
Fünftes Buch:
Die Tugend selbst ist
das Glück,
die sich dem
Wahrheitssuchenden vergnüglich erschließt.
Alle Philosophen sind
sich einig,
daß die Tugend zum
steten Glück genügt, auch in Folter.
Erstes
Buch:
Der
Tod ist kein Übel.
Er
ist ein Gut, wenn die Seele den Tod überdauert.
1
- 8 Einleitung
Hauptgesprächspartner:
Brutus.
Überzeugung:
Römer übertreffen die Griechen oder verbesserten Übernommenes.
- Sitten und Lebensformen.
- Häuser und Familien.
- Einrichtung des Staates.
- Kriegswesen.
- Angeborene Art: Würde,
Beharrlichkeit, Seelengröße, Anständigkeit, Treue,
Tüchtigkeit.
In
Bildung und Literatur ist Griechenland überlegen.
- Weil die Römer auf diesem
Gebiet nie gewetteifert hätten.
- Rom hat die Dichtkunst erst
spät übernommen.
- Dichtkunst nicht angesehen:
Cato tadelt Mitnahme von Dichtern in Provinz.
- Malerei ebenfalls nicht
angesehen.
Die Ehre nähre die Kunst, und wo eine Kunst verachtet wird, da
wird sie sich
auch niemals entfalten können.
- Musik bei den Griechen
Allgemeinbildung.
- Geometrie: Römer kultivierten
sie nur, soweit nützlich.
In
Redekunst die Konkurrenz bald aufgenommen.
"Die
Philosophie ist bis in unsere Zeit vernachlässigt worden und in lateinischer
Sprache überhaupt noch nicht
hervorgetreten. Es ist also unsere Aufgabe, ihr
Ansehen und Leben zu geben ... Wir müssen uns dabei umso mehr Mühe
geben, als es schon viele
lateinische Bücher darüber geben soll, unbedacht
geschrieben von Männern, die
zwar hochachtbar, aber reichlich ungebildet
sind."
Philosophie
mit Redekunst verknüpfen, analog Aristoteles.
Es
sollen an fünf Tagen fünf griechische Lehrstunden gehalten werden.
Methode:
Sokratische Form (8).
9
- 16a Totsein und Sterben ist
kein Übel
Gesprächspartner
A dialogisch zur Erkenntnis geführt:
Tote
existierten nicht,
also sind sie nicht unglücklich,
also ist das Totsein kein Übel.
Sterben
ist der Übergang zum Totsein, das kein Übel ist.
Ergo
ist auch das Sterben kein Übel.
Methode:
Dialektik. Aussage ist wahr oder falsch (14).
16b
- 17 Absicht: Tod als ein Gut
aufzeigen
Methode:
Es gibt keine unfehlbare Erkenntnis wie die des pythischen Apollo,
sondern nur wahrscheinliche
Erkenntnis (17).
Ende der durchgängig
dialogischen Form.
18a Was
ist der Tod? Vier Ansichten
Trennung
von Seele und Körper
- Seele löst sich dabei auf.
- Seele lebt lange weiter.
- Seele lebt ewig weiter.
Seele
und Leib gehen zugrunde und die Seele verlischt im Körper
18b
- 22 Was ist die Seele?
Auflistung der verschiedenen Ansichten
-
Das Herz selbst
-
Empedokles: Das um das Herz herumfließende Blut
-
Das Regierende der Seele sei ein Teil des Gehirns
-
Herz und Hirn nur als Orte der Seele
-
Römer: Hauch
-
Stoiker Zenon: Feuer
-
Philosophen alter Zeit, zuletzt Aristoxenos, Musiker und Philosoph:
Art von Spannung des Körpers, vergleichbar
mit der Harmonie des Gesangs und des
Kitharaspiels; aus der Form des Körpers
ergäben sich Schwingungen
-
Xenokrates, Schüler des Platon: Seele ist gestalt- und körperlos, eine Zahl
-
Platon: Dreiteilung
- Vernunft, liege im Kopf,
regiert die beiden anderen Teile
- Zorn in der Brust
- Begierde unter dem Zwerchfell
-
Dikaiarchos nach Pherekrates aus Phtia: Es existiere keine Seele, die
Fähigkeiten der
Seele seien vielmehr gleichmäßig im Körper
verteilt, mit diesem eins. Durch seinen
Aufbau erhält der Körper Wahrnehmung und
Energie.
-
Aristoteles: quinta natura, Seele = Endelecheia: Ununterbrochene Bewegung.
-
Demokrit abgetan: Sei zwar bedeutender Gelehrter, aber er läßt die Seele durch
ein
zufälliges Zusammentreffen von leichten und
runden Körpern entstehen;
"es gibt ja bei denen nichts, was der
Wirbel der Atome nicht fertig bringt."
23
- 25 Egal, was die Seele ist:
Der Tod ist kein Übel
Wenn
die Seele so beschaffen ist, daß der Tod die Nichtexistenz bedeutet,
dann geht er uns nichts an.
Die
übrigen Möglichkeiten ließen hoffen,
daß die Seele in den Himmel als
eine Art Heimat gelangen könnte.
Gegen
die Möglichkeit eines schlechten Lebens nach dem Tode wird nicht
argumentiert.
Methode:
Die Wahrheit für den Menschen unergründlich.
Suche nach dem
Wahrscheinlichsten (23).
26
- 35 Die Seele überdauert den Tod
Zeugen:
Die besten Autoritäten, religiöse Tradition, Vergöttlichungen.
Ontologischer
Gottesbeweis: Gedanke von Göttern sei bei jedem da, also
entspringe er dem Naturgesetz.
Trauer
aus Natur heraus als Beweis für die natürliche Annahme des Weiterlebens.
Planen der Menschen für die
Nachwelt.
Glaube an ein Weiterleben als
notwendige Voraussetzung für Opfersinn.
Widerspruch dieser Aussage
zur honestum-Lehre nicht aufgelöst.
Die Besten kümmerten sich am
Meisten um die Nachwelt.
Ontologischer Beweis für das
Weiterleben der Seele: Alle stimmen darin
überein,
daß es nach dem Tod etwas gebe, was einen angehe.
Methode:
Die besten Autoritäten haben in allem das größte Gewicht (26).
Methode:
Die Übereinstimmung aller ist die Stimme der Natur. An das, was alle
denken, müsse man sich
anschließen. (35).
Methode:
Die Besten könnten aus Begabung die Natur am ehesten erkennen (35).
36
- 47 Wie lebt die Seele weiter?
Aufstieg zum göttlichen Himmel
Unwissenheit
darüber erfand die Unterwelt u.ä.
Pherekydes
von Syros (6. Jh.) habe als erster die Ewigkeit der menschlichen Seele
gelehrt.
Die
Seelensubstanz sei in jedem Falle leicht und steige deshalb auf.
Seele eher feurig und luftig:
Die Körperwärme komme von der Seele her.
Die
Seele durchbreche bei ihrem Aufstieg den sichtbaren Himmel.
Sie
steige, bis sie gleichartiges erreicht habe und schwebe dort.
Von
körperliche Begierden sei sie dann natürlich frei, also glückselig.
Sie
sei zudem glückselig in der Anschauung und Erkenntnis der Wahrheit.
Erinnert an christliche visio
beatifica.
Diese Begierde bleibe: Begierde
nach Wahrheit in Natur des Geistes (44).
Vor allem auch in der Erkenntnis
der Himmelskörper, die jetzt völlig
unzugänglich sind.
Da nicht der Körper sieht,
sondern die Seele, ist sehen möglich.
Anschauung und Erkenntnis von Allem
wie es ist.
Methode:
Durch Natur bloße Existenz vermuten, aus Überlegung das Wie/Verhalten
erkennen (36).
Methode:
Ein großer Geist wird seine Vernunft von den Sinnen absondern und
sein Denken von Gewohnheit
befreien (38).
Methode:
Dort am wenigsten Zweifel, wo wir uns auf die Mathematiker verlassen
können.
48
- 51a Polemik gegen platte
Entmythologisierer
Naturerkenntnis
als Befreiung von Ängsten: Sei nichts großartiges,
da sie an sich noch nichts
Erfreuliches an sich habe.
Gegen
die, die den Tod als Ende sehen: Nur weil sie nicht begreifen könnten,
wie die Seele ohne Körper sein
könnte, obwohl Frage, wie sie denn
im Körper sei, noch viel dunkler
ist.
Methode:
Der Autorität Platons auch ohne Gründe zu glauben.
51b
- 52 Die Seele kann ihr Wesen
erkennen
Behauptet
es einfach.
Delphisches
Erkenne dich selbst: Meine die Seele in ihrem Wesen
Methode:
Glaubt an die Möglichkeit der Erkenntnis der Seele ohne Zweifel, aber
nicht an die Unfehlbarkeit des
Apollo-Orakels. Tja.
53
- 55 Seele kann zumindest ihre
Existenz erkennen
Kosmologischer
Seelenbeweis:
Wenn
sie schon ihr Wesen nicht erkennen kann, dann Existenz und Bewegung.
Nur was sich selbst bewege sei ewig, denn es
lasse sich nie im Stich.
Was
sich selbst bewegt kann keinen Anfang haben.
Nur
was sich selbst bewege könne Ursprung aller anderen Bewegung sein.
Seele
bewege sich selbst, da sie sonst kein Lebewesen sei.
Seele
spüre, daß sie sich selbst bewegt und nicht bewegt wird und daß sie sich
niemals im Stich lassen könne. Behauptet
es einfach.
Gegen
diese Argumentation kämen die plebejischen Philosophen nicht an.
56
- 66 In der menschlichen Seele
ist Göttliches
Gedächtnis
des Menschen:
Unterschied des Menschen zu Tier
und Pflanze.
Platon: Sei ein Erinnern an ein
früheres Leben.
Dialog Menon: Lernen ist
Erinnern.
Seele werde verwirrt, wenn sie
den Leib betrete, müsse sich erst sammeln.
Bestaunt Gedächtnis in seinem
unabschätzbaren Umfang.
Gedächtnis
sei göttlich:
Gesteht zunächst ein: Weiß
nicht, wie das Gedächtnis beschaffen ist.
Aber wenn überhaupt Prognose,
dann göttlich.
Seele sei kein geräumiger
Speicher, auch kein Wachsabdruckspeicher,
weil
Abbild ungleich Urbild und zu geringe Speicherkapazität.
Seelenfähigkeit zum Erforschen,
Erfinden, Einrichten, Kultivieren:
Damit
unmöglich erdig.
Ähnlichkeit
zu derjenigen Seele, die Dinge am Himmel machte,
ist offenbar. Planetarium des
Archimedes als Beispiel.
Künste
und die Philosophie selbst mit ihren Segnungen.
Erinnerungsvermögen
u. Erfindungsgabe bei Göttern nicht größer.
Göttlich
ist: Lebenskraft, Weisheit, Erfindungsgabe, Erinnerung.
Seele sei also wie die Götter
entweder Feuer oder Luft oder quinta natura.
Götter damit als Bestandteile
der Natur gesehen.
Zusammenfassendes Zitat aus
seiner Trostschrift:
Gott
und Seele sind von allem irdischen gelöste freie und ewige
Geister.
67
- 70 Ort und Beschaffenheit der
Seele unwichtig
(mens,
animus - Geist, Seele gleichbedeutend verwendet. Schlecht.)
Seele
erkennt sich nicht selbst, aber ihre Fähigkeiten, das genügt.
Wie
vom geordneten Kosmos als einem Werk auf einen Bewirker geschlossen
werden könne, so könne man auch
den Geist erkennen.
Ort:
Im Kopf; Gründe würden woanders angegeben.
Beschaffenheit:
Egal, Hauptsache Existenz und Fähigkeiten sind bekannt.
71a Seele
kann nicht untergehen: Unteilbar
Seele
sei nicht zusammengesetzt, verbunden, vermischt. Sei unmittelbar klar.
Deshalb
könne sie nicht zerteilt werden, d.h. nicht untergehen. Denn der Untergang
ist
die Zerteilung.
Erinnert
in Formulierung an Definition der trinitarischen Göttlichkeit Jesu.
71b
- 76 Philosophieren heißt Sterben
lernen: Tod als Gut
Sokrates:
Zwei Wege der Seele:
- Befleckt von Schandtaten,
Leidenschaften und unsühnbaren Verbrechen
=> Ausschluß aus der Gemeinschaft mit den Göttern.
- Vom Leibe abgewandt das Leben
der Götter nachahmend.
Deshalb sollten Weise wie die
Schwäne mit Gesang und Lust sterben.
Cato: Freute sich, einen Grund zum
Sterben gefunden zu haben.
Der Gott in uns verbiete es,
ohne Grund aus dem Leben zu gehen.
Philosophieren
ist Bekümmerung um den Tod: Schon in diesem Leben vom Körper
lösen, denn dadurch gelangt man
nach dem Tod schneller zum Ziel, weil
die Seele geübt ist, gelöst vom
Körper zu agieren.
Erinnert an die christliche
Auffassung von Fegefeuer.
Dies Leben hier ist ein einziger
Tod. Erst dort werden wir leben.
Wenn
Seele zu Göttern kommt, dann ist der Tod ein Gut.
77
- 81a Zu Einwänden gegen
Unsterblichkeit der Seele
Gegner:
Epikureer, Dikaiarchos, Stoiker.
Zu
den Stoikern:
Sie behaupten:
-
Seele dauere nach Tod noch fort, aber nicht ewig.
-
Seelen entstünden, was an der Ähnlichkeit zu den Eltern gezeigt.
-
Seelen empfänden Schmerz, seien also untergangsfähig.
Widerlegung:
-
Wie soll sie denn untergehen, wenn sie den Tod überdauert?
-
Unterscheidung des Geistes von jenen Teilen (des Körpers wohl),
die vom Geist getrennt sind und Schmerz
erleiden können.
-
Ähnlichkeit zu Eltern sei nur körperlich, wie bei den Tieren.
Die Vernunft jedoch sei bei der Vererbung
ausgespart.
Körper fördere/hemme allerdings die
Vernunft.
Beispiele der Unähnlichkeit von Verwandten.
81b
- 92 Tod kein Übel, auch wenn die
Seele untergeht
Nach
Tod keine Empfindung mehr, also nicht schlimm.
Trennung
von Leib und Seele: Nur ein Augenblick, außerdem wohl empfindungslos
oder gar lustvoll.
Trennung
von Gütern im Leben?
Liste von Beispielen, daß das
Leben lauter Übel bereithält und wenig Glück.
Metellus, Priamus, Pompeius.
Ein Empfindungsloser kann nicht
entbehren.
Liste von Beispielen von Römern,
die für die gute Sache tapfer starben.
Trennung
von der Empfindung selbst? Empfindet man ja gar nicht.
Empfindungslosigkeit
nach dem Tod als die Kerneinsicht, falls die Seele untergeht.
Schlaf
als Abbild des empfindungslosen Todes.
Exkurs:
Nicht aus Eigennutz, sondern aus Selbstachtungsstreben/Mitleid heraus soll
man für die Zeit nach dem Tode
sorgen.
93
- 94 Es gibt keinen Tod zur
Unzeit
Leben
als unverdiente Leihgabe.
Jede
Verlängerung könne nur mehr Leiden bringen.
Wenn
die Weisheit des Greisenalters erreicht sei, könne das Leben nicht mehr
angenehmer werden, und es sei
Zeit zu sterben. (Widerspruch zu anderem?).
Länge
des Lebens relativer Begriff.
95
- 102a Beispiele philosophischen
Lebens
Theramenes:
Giftbecher spielerisch dem Ankläger anempfohlen
Sokrates:
Apologiezitate mit Argumenten s.o., interessant:
Unterwelt: Man komme zu denen,
die man wirklich Richter nennen dürfe
Ein
Spartaner.: Lieber die Todes- als eine Geldstrafe
Römische
Heerführer, Staatsmänner und Legionen
Leonidas
und seine Soldaten, Sparta allgemein
Theodoros
von Kyrene: Verspottete Kreuzigungsdrohung
Exkurs:
Argumente gegen den Tod als Übel:
- Nichts könne schlecht sein,
was von Natur allen Menschen zuteil wird
- Wäre der Tod ein Übel, so wäre
er ein ewiges Übel
102b
- 109a Zur Bestattung
Betrifft
nur den Körper: Sokrates, Diogenes, Anaxagoras
Irrtümer
hierzu: - Achilles schleift Hektor
-
Theater: Jammerelegie um Beerdigung verspottet
-
Viele wollen ihre Feinde noch nach deren Tod strafen
-
Quatsch: Grab als Erholungsstätte des Körpers
Ganze
Völker irren, Ägypter, etc. etc. etc., barbarische Bräuche
Wie also? - Nicht vernachlässigen
-
Bewußtsein haben: Körper ungleich Person
-
Auf die öffentliche Meinung Rücksicht nehmen (!)
-
Die Toten selbst geht es nichts an
109b
- 112a Der beste Moment für den Tod
-
Wenn Trost an seinen eigenen Leistungen
-
Höhepunkt des Glücks, wo nichts mehr gewinnbar
-
Tote entbehren nicht des Ruhmes
-
Im Höhepunkt des Glückes sogar sterben wollen
Beispiel der Olympionikenfamilie des
Diagoras
Exkurs:
Der Schmerz wegen des Todes anderer ist immer größer als der wegen des
eigenen Todes.
112b
- 119 Epilog
Urteil
der Götter? Der Tod ist das größte Geschenk!
- Kleobis und Biton
- Erbauer des Apollo-Tempels von
Delphi
- Psychomanteia, Dichter
Redner,
Staatsmänner, Soldaten:
- zählen z.B. die menschlichen
Leiden auf
- ruhmreicher Tod für das
Vaterland gilt als glückselig
- wollten den Tod
Besonnen
aus dem Leben gehen, da entweder die Götter oder gar die Natur, die Mutter
aller, uns nicht zufällig
geschaffen habe. (Natur > Götter auch hier)
Tod
als Zuflucht in dieser Welt.
Was
für alle notwendig ist, kann kein Übel sein.
Zweites
Buch:
Der
Schmerz, der ein viel kleineres Übel als die Schande ist, kann im Hinblick auf
das Ehrenhafte ertragen werden.
1
- 5 Rekurs
auf Erstes Buch: Philosophie der Menge verhaßt
Verachtung
des Todes erntet Widerspruch. Philosophie ist mit wenigen Richtern
zufrieden, meidet die Menge, ist
ihr verhaßt und verdächtig.
Methode:
Widerspruch erwünscht. Nur Dogmatiker ertragen das nicht. Philosophie
lebt aus der Diskussion und
steht deshalb in Ehren (5).
Methode:
Man kann nicht manches kennen, man muß alles kennen.
Im Verhältnis zur Auslese muß
die Stoffmenge groß sein (1).
6
- 9 Übergang
der griechischen Literatur ins Römische
Damit
weniger Bücher nötig: Viele sagen dasselbe.
Ermuntert
Fähige zum Schreiben, tadelt dagegen die oberflächlichen Schreiber.
Viele
lesen nur, was ihnen gefällt zu lesen.
Literatur
soll allen zugänglich sein.
10
- 13 Philosophie als Bearbeitung
des Seelenackers
Philosophie
besiegt den Kummer, die Begierde, die Angst.
Philosophie
wirkt nicht immer: Echte Philosophen sind selten: Die ihre Lehre leben.
Philosophie
ist Pflege der Seele. Nur bei fruchtbaren Seelen wirkt die Beackerung.
14
- 17 Die Schande ist schlimmer
als der (körperliche) Schmerz
Jahrhundertealter
Irrtum der Philosophie: Schmerz das größte Übel.
Metrodor
und Epikur lächerlich:
Gesundheit als Inbegriff von
Glück, aber Gefolterter in Freude.
18
- 33a Der Schmerz ist ein Übel,
aber ertragbar
Weisheit
lehre Ertragen, aber nicht Freude über Schmerz.
Beispiele selbst übersetzter
Dichterzitate.
Tadel an Dichtern, die Tapfere
jämmerlich zeigen.
Eine
größere Schande, als den Schmerz für das größte Übel zu halten,
sei von einem Philosophen nicht
zu erwarten.
Stoiker
spitzfindig, daß Schmerz kein Übel; wohlfeile Worte verfehlen die Sache.
Alles,
was die Natur ablehnt, ist ein Übel.
Dem
Schmerz nachzugeben und die Tugend schließen sich gegenseitig aus.
Entweder man hat alle Tugenden
oder gar keine.
33b
- 41 Ertragen des Schmerzes durch
Gewohnheit
Der
Schmerz wird durch Ausdauer überwunden.
Bsp.: Erziehung in Kreta und
Sparta. Vernunft doch größer als solche Sitten.
Anstrengung
und Schmerz sind nicht dasselbe.
Die Griechen kennen nur ein Wort
dafür.
Gewöhnung
von Mühen macht Ertragen des Schmerzes leichter.
Bsp.: Heer aus Alten und aus
Jungen verglichen.
Groß
ist die Macht der Gewohnheit.
42
- 46 Aus Vernunft in Tugend den
Schmerz tapfer ertragen wollen
Die
Tapferkeit ist als Tugend des Mannes die höchste Tugend, denn: vir - tus.
Dazu gehört das Ertragen von
Schmerz und die Verachtung des Todes.
Epikur: Predigt, soviel er begreift.
Lacht uns wohl aus. Verwitzelt.
Er hat kein Heilmittel gegen den
Schmerz.
Natur
fordere sogar den Schmerz, um durch dessen Ertragung zur Tugend zu
gelangen, dem höchsten Gut.
47
- 62 Ertragen des Schmerzes durch
Selbstbeherrschung;
Aufleuchten
des Ehrenhaften induziert sofort die nötige
Anspannung
der Seele
Seele:
Zwei Teile; vernunftloser und vernunftbegabter.
Herr über sich sein: Der eine
herrscht über den anderen.
Ermahnung
von schwächeren Mitmenschen provoziert deren Schamgefühl.
Selbstermahnung
durch Anspannung, Entschiedenheit, zur Ehrenhafigkeit hin.
Vorbilder ermahnen. Inneres
Ringen stärkt.
Diese Anspannung der Seele ist
bei jeder Pflichterfüllung notwendig.
Seufzen, Stöhnen als "Dampf
ablassen" gestattet.
Nicht nur dem Schmerz ist mit
dieser Anspannung zu begegnen.
Die Natur des Menschen ist in
höchstem Maße auf das Ehrenhafte begierig.
Dessen Aufleuchten erzeugt in
der Seele jede erforderliche Anspannung.
Beispiele
für das Ertragen von Schmerz
Im Krieg: Decier, Epameinondas
Im Frieden: Kleanthes vor Dionysios
von Heraklea, Poseidonios,
für
gymnische Spiele werden keine Mühen gescheut,
Scipio
Africanus: Feuer des Eifers durchlaufen
63
- 65 Standhafte selbstdenkende
Aufrichtigkeit besiegt sich und alles
Eigenes
Urteil über das der Menge stellen: Sich selbst und alle und alles besiegt
haben.
Die
Seelenverfassung ist die schönste von allem, die mit sich selbst zufrieden ist.
Das
eigene Bewußtsein ist für die Tugend die größte Bühne.
Schmerzen
ertragen nicht aus Tugend, sondern aus Leidenschaft oder Ruhmsucht:
=> Versagen in anderen
Bereichen.
Die gleichmäßige Tapferkeit geht
nur von der Einsicht aus.
66
- 67 Schluß: Schmerz also
vernachlässigbar, Tod als Zuflucht
Schmerz
so gering ein Übel, daß er überall von Tugend zugedeckt wird.
Wenn
der Tod als Zuflucht offen: Fluchtort, wenn Schmerzen nicht auszuhalten.
Drittes
Buch:
Der
Kummer, die größte Leidenschaft, beruht allein auf Meinung und kann durch
umfassendes Begreifen überwunden werden.
1
- 6 Philosophie
als Heilmittel gegen die allumfangenden Irrtümer
Heilmittel
für die Seele sind nicht gefragt, die Krankheit wird nicht wahrgenommen.
Natur
gibt dem Menschen nur winzige Lichtlein, Samen der Tugend.
Amme,
Eltern, Lehrer durchtränken mit Irrtum und ersticken die Natur.
Ebenso
die Dichter und die Menge der Leute.
Man
erreicht so nur ein unklares, schattenhaftes Bild der Tugend.
Der
beste Wille ist nutzlos, wenn er nicht weiß wohin, sondern blind handelt.
Die
Philosophie als Heilmittel der Seele.
7
- 11 Leidenschaften
sind Krankheiten, sind Wahnsinn der Toren
Alle
Leidenschaften sind Krankheiten. Kein Tor ist von ihnen frei.
Jede
Erregung der Seele ist wahnsinnig. Toren sind wahnsinnig.
Die
Gesundheit der Seele besteht in Ruhe und Gleichmäßigkeit.
Toren
sind "nicht mehr in ihrer Gewalt".
Der
Wahnsinn der Toren ist zu unterscheiden vom Irrsinn der Verrückten.
12
- 13 Rückhaltlosigkeit der
Untersuchung
Die
Schmerzlosigkeit ist möglicherweise unmenschlich und eine Lähmung.
Er
aber will das Übel an der Wurzel packen und der Philosophie vertrauen.
Der
Kummer als die größte Leidenschaft.
14
- 22 Nach den Stoikern:
Besonnenheit schließt Kummer aus etc.
Kummer
und Tapferkeit schließen sich aus.
- denn Kummer bedeutet auch
Angst.
- denn Tapfere sind großgesinnt
und verachten also, was Kummer bringt.
Kummer
und Weisheit schließen sich aus:
- denn Weise sind tapfer und
großgesinnt.
- denn Weise sind in ihrer Seele
nie verwirrt, was eben Kummer bedeutet.
frugalitas
als besseres Gegenstück zur griechischen Sophrosyné, Besonnenheit.
Sie regiert die Bewegungen der
strebenden Seele und beruhigt sie zur
Gleichmäßigkeit. Sie umfasst die
ersten drei Kardinaltugenden.
Wer ruhig ist, kann keinen
Kummer und keine Leidenschaft haben.
Kummer
und Weisheit schließen sich aus:
Denn Mitleid und Neid sind
Kummer. Wer durch das Leid anderer erregt
wird, wird es auch durch deren
Freude - zu Neid, meint er.
Unsauber argumentiert: Denn
hier passt Mitfreuen eher als Neid.
Beweisgänge
der Stoiker allzu straff.
Nicht
überzeugend: Mäßigkeit in den Leidenschaften; entweder ganz oder gar nicht.
23
- 25a Die Ursache der vier Arten
der Leidenschaften liegt im Meinen
Im
Unterschied zu den Griechen nennt er nicht alle Leidenschaften Krankheiten.
Der
Kummer ist eine Krankheit.
Die
Ursache aller Leidenschaften liegt im Meinen.
Vier
Arten der Leidenschaften:
a) Zwei stammen aus dem Meinen
eines Guten:
-
Die übermäßige Freude aus d. Meinen eines gegenwärtigen Gutes.
-
Die Begierde aus dem Meinen eines künftigen Gutes.
b) Zwei stammen aus dem Meinen
eines Übels:
-
Der Kummer aus dem Meinen eines gegenwärtigen Übels.
-
Die Angst aus dem Meinen eines künftigen Übels.
Methode:
Mit der Krankheitsursache zugleich auch die Heilungsmethode entdeckt (23).
25b
- 31 Das größte Übel, der
Kummer, ist durch Vorhersehen /
umfassendes
Begreifen besiegbar
Kummer
als das denkbar Übelste.
Beispiele aus Dichtung und
Geschichte.
Jede Leidenschaft ist Elend, der
Kummer aber mörderisch;
er vernichtet die Seele ganz.
Unvorhergesehenes
Übel trifft härter.
Die hervorragende und göttliche
Weisheit sei es, die menschlichen Dinge
völlig begriffen und durchdacht
zu haben und so sich über nichts zu wundern.
Weil Kummer aus Meinen entsteht,
lindert die Voraussicht das Übel.
32
- 46a Dar- und Widerlegung der
Lehre Epikurs
Epikur:
Voraussicht des Übels sei töricht, da dann ständig in Kummer.
Gegenargumente:
Voraussicht hilft,
- weil Vorraussicht
erfahrungsgemäß das Übel lindert
- weil Einsicht in Notwendigkeit
Schmerz nimmt, Kampf gegen Welt unnütz
- weil nur Schuld ein echtes
Übel ist, niemals, was man nicht ändern kann
Epikurs
Lösung: Kummer verdrängen und auf Genuß konzentrieren.
Gegenargumente:
- Verdrängen unmöglich; Kummer
wühlt
- Dauer des ertragenen Schmerzes
macht ihn erfahrungsgemäß erträglich
- Die Tugendhaftigkeit
(Ehrgefühl) in Besonnenheit als Gegenmacht aufbauen
Mahnung: Tugend entweder aus sich selbst ein Wert, oder gar kein
Wert.
- Epikur kennt nur körperliche
Genüsse und läßt nur solche gelten - wen wird
das in Kummer aufrichten? Cicero bemüht sich um Zitate, um den
üblichen
Vorwurf zu entkräften, er habe Epikur nicht verstanden. Cicero
bringt
tragische und tiefgreifende Beispiele für Kummer aus Dichtungen
und
kontrastiert damit spöttisch die absurde Vorstellung, man könne
diesen
leichthin durch Genüsse vertreiben
(Nebenargument: Abwesenheit von Übel noch kein Gut.
Unklar: Was ist für Cicero denn ein Gut? Die Tugend, meint er.
Diese ist
aber gerade die Abwesenheit von Übel, wenn er geistige Verwirrung
als Übel
wertet. Denn Tugend ist gerade die Abwesenheit von geistiger
Unordnung.
Geistige Ordnung, Wahrheitssuche, ist Tugend.)
46b
- 51 Die Sache, nicht die
Neigung, treibt in Opposition zu Epikur
Nicht
Epikurs Charakter sei schlecht, sondern sein Scharfsinn gering.
Drei logische Widersprüche
Epikurs:
1. Körperliche Lust als höchstes
Gut definiert
<=>
Freiheit von Schmerz als höchstes Gut definiert
2. Freiheit von Schmerz und
Freude nicht unterschieden
3. Er sieht das höchste Gut und
die Tugend nicht als dasselbe an
Gegen
den Einwand: Epikur lobe die Tugend mit vielen Worten als Notwendigkeit für
das angenehme Leben, fordere
Bescheidenheit ...: Leere weil unverständige
(aber nicht geheuchelte) Worte,
da Tugend im Widerspruch zur Lust.
Gegen
den Einwand: Epikur meine "nicht diese Lust": Nichtig, da Lust immer
in
Widerspruch zur Tugend. Und
selbst wenn Cicero Epikurs Definition von Lust
mißverstehen sollte: Die von
Schmerz keinesfalls. Den Schmerz als größtes
Übel zu rechnen schließt Tugend
allemal aus.
Gegen
den Einwand, polemisch zu sein: Vielmehr kämpfe er um Ehre und Würde und
nehme den Ausgang der Auseinandersetzung
gelassen hin. Die Epikureer
dagegen gingen gereizt vor.
52
- 61a Unerwartetheit des Kummers
verstärkt aber verursacht ihn nicht
Lehre
der Kyrenaiker: Kummer entstehe, weil das Übel plötzlich komme.
Richtig: Unerwartetes deshalb größer,
weil nicht überblickbar, einordnbar.
Die Zeit lindert den Schmerz,
weil man die Sache einordnet. Beispiele.
Tröstung erster Art: Man darf
nichts für unerwartet halten.
Aber: Unerwartetheit macht Kummer
größer, aber nicht sein Wesen aus.
Tröstung zweiter Art: Beispiele
anderer lindern eigenen Schmerz,
weil Einsicht, daß es
menschlich, also "in Ordnung" ist.
Einwand
von Karneades: Bewußtsein der menschlichen Daseinsbedingungen
vergrößere den Schmerz nur.
Nichtig, denn die Notwendigkeit, die Lage
des Menschen auszuhalten,
verbiete uns, "gewissermaßen mit der Gottheit zu
kämpfen". Diese Einsicht
schaffe das Bewußtsein der Lage des Menschen.
Schwäche in Argum.-führung:
Wieso Notwendigkeit, auszuhalten? S.o.!
Schmerz
heiße "lypé", weil er den ganzen Menschen auflöse (lyei).
61b
- 75a Die Vorstellung, daß Kummer
eine Pflicht sei, ist absurd
Beispiele:
Trauerriten, Trauer als gesellschaftliche Erwartung, Flucht in die
Einsamkeit, Schuldgefühle, wenn
nicht getrauert.
Offensichtlich:
Schmerz entsteht aus Meinen, aus freiem Willen und Urteil.
- Angst kann Kummer vertreiben
- Gewöhnung/Erfahrung mindert
den Kummer
- Keine Trauer der mäßigen
Philosophen über ihre Torheit, obwohl es sie
geben müßte
- Meinung: Trauer schickt sich
für einen Mann nicht
Warum
ergibt man sich freiwillig dem Schmerz?
- Vorstellung von Unheil als
solche erzeugt ihn schon
- Meinung, man tue dem Toten
einen Gefallen
- Aberglauben: Besänftigung der
Götter durch Zerknirschung
Zur
Torheit, Trauer von anderen zu erwarten:
Widerspruch: Jene loben, die
gefaßten Geistes sterben, aber jene tadeln, die
den
Tod eines anderen gefaßten
Geistes tragen.
Daß man gefaßt tröstet, aber
selbst von Trauer erschlagen.
Dazu interessante Analogie
gezogen:
Denn es ist unmöglich, daß man
einen anderen mehr liebt als sich selbst.
In der Freundschaft ist es nicht
einmal zu wünschen, da sonst Verwirrung des
Lebens und aller Pflichten. Ein
echter Freund wollte das auch gar nicht.
Wie der Torheit eigentümlich
sei: Man tadelt an anderen und übersieht eigene
Fehler.
Noch
einmal: Ursache des Kummers liegt im Meinen; Nachlassen des Schmerzes in
Zeit nicht durch Zeit, sondern
durch fortschreitendes Denken.
75b
- 84 Die Kunst des Tröstens
Arten
der Tröstung, die in der Aufklärung der o.g. Irrtümer und in der Anwendung des
o.g.
Wissens bestehen, nach Schulen aufgezählt.
-
Zeigen: Es ist gar kein Übel
-
Auf gemeinsame Bedingungen des Lebens hinweisen
-
Zeigen: Trauer vernichtet sinnlos das Leben
Darauf
achten, wer welches Heilmittel zu ertragen vermag.
Mit
dem Kummer alle anderen Arten von Irrtümern beseitigt.
Kummer
manifestiert sich in vielen Formen: Aufzählung ...
Schwierig
und nie restlos ausrottbar.
Viertes
Buch:
Jede
Leidenschaft beruht auf Meinen und kann somit geheilt werden.
1
- 7a Beginn
der Philosophie in Rom
Pythagoras:
Lebte in Italien; Spuren seiner Lehre in Roms Sitten und Verfassung,
vor allem in der Dichtkunst.
Studium
der Philosophie sei in Rom alt, vor Laelius und Scipio kenne er aber keinen
mit Namen.
Auf
Wunsch römischer Politiker der Stoiker Diogenes und der Akademiker Karneades
als Teilnehmer einer athenischen
Delegation nach Rom ausgewählt.
C.
Amafinius: Erste lateinische Bücher über Philosophie, viele Nachahmer.
Aber allesamt
populärwissenschaftlich-unwissenschaftlich.
Methode:
Sich nicht einer philosophischen Schule anschließen, sondern selbst
eine eigene Philosophie
aufbauen.
7b
- 21 Definitorische Einteilung
der Leidenschaften nach den Stoikern
Ohne
Kummer verbleiben zwei Leidenschaften: Vergnügen und Begierde.
Seele
in zwei Teile teilen (nach Pythagoras und Platon):
- Vernunftbegabt/ruhig und
- vernunftlos/wirr.
Einteilung
der Leidenschaften nach den Stoikern (Logika):
Def.: Leidenschaft: Eine von der
rechten Einsicht abgewandte Bewegung
der
Seele. Oder auch: Ein allzuheftiges Streben.
Entsteht aus dem Meinen von ...
...
zwei vermeintlichen Gütern:
Begierde (künftig)
Lust, Vergnügen (gegenwärtig)
...
zwei vermeintlichen Übeln:
Angst (künftig)
Kummer (gegenwärtig)
Drei der Leidenschaften steht
eine Beständigkeit gegenüber:
(Gegensatz durch mit oder
ohne Vernunft)
Gegensatzpaar:
Wille (boulésis): Begehren mit
Vernunft.
Begierde: Begehren ohne
Vernunft.
Gegensatzpaar:
Freude: Gutes empfinden mit
Vernunft und Ruhe.
(Übertriebenes) Vergnügen: Ohne
Vernunft und Ruhe.
Gegensatzpaar:
Vorsicht: Abwenden von Übeln mit
Vernunft.
Angst: Abwenden von Übeln ohne
Vernunft in Panik.
Def.:
Kummer: Eine Verkrampfung der Seele gegen die Vernunft.
Ohne Gegenstück.
Alle Leidenschaft hat Ursache im
Meinen.
Unterarten der vier
Leidenschafts-Gattungen:
Diese
werden ausgeführt ... ... ...
Methode:
Erst Gegenstand des Problems definieren, dann Lösung suchen (9).
Die volle Aufmerksamkeit ist
notwendig, damit nicht alles auseinanderbricht,
wenn man ein Einziges übersehen
hat (10).
22
- 31 Widersprüche wirren Meinens
rufen Seelenkrankheiten hervor
Quelle aller Leidenschaften:
Maßlosigkeit, d.h. Totalabfall von der Herrschaft
der
Vernunft in die Herrschaft der vernunftlosen Strebungen hinein.
Aus der wirren
Widersprüchlichkeit des Meinens entstehen Krankheiten der
Seele (Geiz, Ruhmsucht, Sucht
nach Frauen, Menschenhaß, ...):
Meinung,
etwas sei zu erstreben/zu meiden sei,
das gar nicht zu erstreben/zu
meiden ist.
Es
bestehen Neigungen zu diesen Krankheiten, und sie sind von
Mensch zu Mensch verschieden
ausgerichtet.
Fehler:
Dauernde Zustände; Leidenschaften: Zeitweise Zustände.
Gesundheit
der Seele: Wenn das, woraus wir zusammengesetzt sind,
miteinander übereinstimmt.
Gewisse Gesundheit der Seele so
auch bei Toren möglich.
Schönheit
der Seele, Kräftigkeit der Seele.
Leidenschaften
existieren bei Tieren nicht, denn sie stammen aus
der Verachtung der Vernunft.
Der
Kluge fällt schwerer in Krankheit und auch nicht so leicht in
Ausgelassenes und Grausames,
sondern eher in
Menschliches, Mitleid, Kummer
und Angst.
32
- 38a Gegensatzpaar Tugend -
Lasterhaftigkeit
Gegensatzpaar:
Tugend: Rechte Einsicht.
Lasterhaftigkeit: Von rechter
Einsicht abgewandte Bewegung der Seele.
Abgleitungen
des Lasterhaften:
Kummer und Angst hängen als
Schrecken über ihnen.
Begierde und eitles Vergnügen:
Der Verrücktheit nahe.
Wer
mit sich selbst einig: Der ist der Weise, den wir suchen.
Weder Verzweiflung noch
Ausgelassenheit.
Wer sich des Kosmos bewußt ist
und die menschlichen Dinge kennt, findet im
Geiste immer einen Ort - gemeint
ist ein Welterklärungsmuster - wo er sich
glücklich aufhalten kann.
38b
- 57 Widerlegung Peripatetiker;
die Leidenschaften sind maßlos
Lehre
der Peripatetiker weichlich und entnervt:
- Seele werde notwendig von den
Leidenschaften erfasst
- Man solle ein gewisses Maß
nicht überschreiten
Widerlegung:
Wer bei Fehler ein Maß sucht
gleicht dem, der glaubt, sich im Fallen aufhalten
zu können. Was gefährlich ist,
ist es schon, wenn es entsteht.
Peripatetiker
loben die Leidenschaften sogar als nützlich:
- Zorn sei gut für die
Tapferkeit
- Eifer sei gut für Tapferkeit
und Studium
- Kummer sei gut als Strafe für
eine Missetat
- Mitleid sei gut für soziales
Handeln
- Eifersucht und Mißgunst als
Ansporn gut
- Furcht sei für
Gewissenhaftigkeit gut
In allen Fällen sei das Mittelmaß
das beste (s.o.).
Widerlegung,
daß Leidenschaften nützlich seien:
- Braucht die Tapferkeit die
Unflat des Zorns? Bsps. für besonnene Tapferkeit.
Tapferkeit existiert nie ohne Vernunft! Bsp. des Pontifex Maximus Scipio,
der gegen Ti. Gracchus
aufrief (Zit.: Kein Weiser ist ein Privatmann).
Zorn der Verrücktheit nahe. Redner darf Zorn vortäuschen.
- Studium eine Begierde zu
nennen: Einfach absurd.
- Kummer nützt natürlich dem
Toren, aber wir fragen nach dem Weisen.
- Könne man denn ohne Mitleid
nicht großzügig sein?
- Eifersucht und Mißgunst: Haben
wollen ohne zu handeln: Äußerster Unsinn.
Widerlegung
der peripatetischen Ausgangsthese:
- Mittelmaß im Übel: Unsinn,
denn es gibt keine halbe Leidenschaft.
- Weiser gerate einfach in
Leidenschaft hinein: Unsinn, der Weise kenne alles
göttliche und menschliche und die Ursachen aller Erscheinungen:
Wie kann
eine solche Beständigkeit in Leidenschaft geraten?
- Irrtum als Wurzel des Übels:
Ganz auszurotten, nicht nur zu beschneiden.
58
- 81 Heilmittel gegen die
Leidenschaften
Heilung
beim Meinen eines Übels: (Kummer und Angst)
Es gibt grundsätzlich zwei Wege,
Kummer zu heilen:
1.
Vorbild anderer vor Augen führen, bei Ehre packen
2.
Grundirrtum beseitigen; Kummer ist immer nur ein Meinen.
Letzterer
schlägt selten an.
Bei grundsätzlichstem Kummer mit
philosophischer Verklemmung:
(z.B.
Kummer, daß man Kummer hat, daß man keine Tugend hat)
Dagegen
die viel grundsätzlichere Übereinstimmung darin setzen,
daß
die begehrliche Bewegung an sich fehlerhaft ist.
Beruhigung der Seele aus der
Einsicht in die menschliche Natur und das
Gesetz
des Lebens.
Angst als Meinen eines künftigen
Übels analog zu besiegen.
Heilung
beim Meinen eines Guten: (Ausgelassenheit und Begehren)
Entscheidend: Alle
Leidenschaften sind willentlich.
Analogie zum Meinen eines Übels:
Zwei Wege:
1.
Bei Ehre packen.
2.
Grundirrtum beseitigen; Tor kann niemals Vergnügen empfinden.
Konzentriert
sich auf ersten Weg.
Sich-gehen-lassen ist schmählich
und tadelnswert.
Zucht entlarvt Irrtum als
Grausamkeit und Wildheit vor aller Augen.
Beispiel Sexuelle Begierde:
-
Über alle Maßen leichtfertig.
-
Im Zusammenhang: Auf Dichter und Komödiendichter gewettert.
-
Ebenso auf Philosophen, gar auf Platon; homosexuelles Treiben.
Sei in griechischen Gymnasien eingerissen.
Ennius: Anfang der
Schandtat ist es, unter Mitbürgern seinen
Körper zu entblößen.
(Stoische Liebe passe nicht, denn hier von
Begierde die Rede.)
-
Heilung:
Durch Aufzeigen, wie verächtlich und nichtig
das begehrte Ziel ist.
Durch Ablenkung, durch Ortsveränderung,
durch neue Liebe.
Durch Aufzeigen der besonderen Heftigkeit
dieser Leidenschaft:
Vergewaltigungen, Verführungen,
Ehebrüche, Inzeste.
Durch Einsicht: Verwirrung Seele an sich
häßlich.
Beispiel Zorn:
-
Ist Wahnsinn, man ist seiner selbst nicht mehr mächtig.
-
Heilung: Zornobjekte entziehen, bis wieder gefaßt:
Die verstreuten Teile der Seele wieder an
ihren Ort zwingen.
Oder: Bitten, Racheakt zu verschieben - bis
Zorn verraucht.
-
Reue als Zeichen dafür, daß Zorn nicht naturgegeben.
Fazit
Heilung - Kränkliche Seele
Aus Wissen: Beständigkeit.
Aus Irrtum: Leidenschaft.
Kränkliche Seele: Neigung zu
gewissen eingewurzelten Leidenschaften.
Sokrates:
Leidenschaften seien in ihm, aber seine Vernunft habe sie
vertrieben.
82
- 84 Schluß; Zusammenfassung der
ersten vier Tage
Man
könne nichts größeres von der Philosophie erwarten, als was an den vier Tagen
untersucht
wurde:
-
Die Verachtung des Todes
-
Die Linderung des Schmerzes
-
Die Beruhigung des Kummers als herausgehobener Leidenschaft
-
Die Beruhigung der Leidenschaften allgemein
Man
lasse sich durch die Philosophie pflegen.
Philosophie
bestehe aus der Sammlung der Vernunftgründe.
Fünftes
Buch:
Die
Tugend selbst ist das Glück,
die
sich dem Wahrheitssuchenden vergnüglich erschließt.
Alle
Philosophen sind sich einig,
daß
die Tugend zum steten Glück genügt,
auch
in Folter.
1
- 6 Generalthese:
Um
glücklich zu leben sei die Tugend mit sich selbst zufrieden
Zur
Erlangung des glücklichen Lebens sei die Tugend mit sich selbst zufrieden.
- Dies das wichtigste und großartigste Thema der Philosophie.
- Für dieses Ziel vernachlässigten die ersten Philosophen alles
andere.
Eigene
Zweifel daran aufgrund Altersgebrechen:
- Vielleicht Seele genauso
gebrechlich wie Körper?
- Selbst zurückgewiesen.
Cicero:
Sei schon sehr früh zur Philosophie gekommen. Kehre nun zurück.
Das
Lob der Philosophie.
- Gemeinschaftsbildung: Wohnung,
Ehe, Schrift, Sprache, Gesetze, Moral.
- Zufluchtsort: Ruhe im Leben,
Furchtlosigkeit vor Tod.
Ungebildete
erkennen sie nicht an, begehen quasi Elternmord.
7
- 11 Die
Geschichte der Philosophie
Philosophie
ist alt, der Begriff aber jung.
Atlas,
Prometheus und Kepheus hätten Himmelskunde betrieben,
seien deshalb für weise gehalten
und so zum Mythos geworden
Weisheit
als Begriff ist alt: Lykurg, Odysseus, Nestor als weise bezeichnet.
Die
sieben Weisen.
Pythagoras
führt den Begriff Philosoph ein.
Die Menschen seien aus einer
anderen Welt in diese hineingekommen,
wie von einer Stadt auf ein
großes Volksfest. Nur einige wenige davon
betrieben nun die vornehmste
Beschäftigung: Schauen und Erkennen wollen.
Bis
Sokrates: Naturphilosophie.
Sokrates,
Schüler des Archelaos, Schüler des Anaxagoras:
Philosophie vom Himmel in Städte
und Häuser geholt.
Habe zum Fragen nach
Lebenführung, Moral etc. gezwungen.
Platon
als Berichterstatter der Lehren des Sokrates.
Die
Vielfalt des Sokrates habe vielfältige Arten von Philosophien hervorgebracht.
Methode:
(nach Sokrates): Eigene Meinung zurückhalten
und andere vom Irrtum befreien (11).
Methode:
(nach Sokrates) Stets fragen: Was kommt der Wahrheit am Nächsten? (11).
12
- 17 Tugend bringt innere Ruhe,
d.h. Glückseligkeit, auch in Folter
Gegenthese:
Alle Tugenden bestehen in der Folter, aber das Glück nicht.
Widerlegung: Die Tugend läßt alles Unbill ruhig
ertragen.
Er
übergeht: Bewußtsein bei überwältigendem Schmerz ausgehebelt
Die
innere Ruhe ist das Glück,
analog der Ruhe des Meeres bei
Windstille.
Also
folgt aus der Tugend das Glück.
Nebenbei:
Leichtfertiger Mensch: Umso unseliger, je glückseliger er sich vorkommt.
18
- 20 Beweis zu glatt für das
Große, was die Philosophie verspricht
Das
Versprechen der Philosophie: Wer ihren Gesetzen gehorcht ist gegen jedes
Schicksal
gewappnet und ist dauernd glückselig.
Wunsch
nach einem noch zuverlässigeren Beweis.
Methode:
Philosophen begnügen sich nicht wie die Mathematiker mit einem glattem
Beweis, sondern tragen alle
Argumente zusammen, die sie finden können.
Auch weil verschiedene Aspekte
an einer Sache, die verschieden zu
beleuchten (18/19).
21
- 31 Weil die Tugend alleiniges
Gut ist, genügt sie zum Glück
Gegenthese
von Antiochos und Brutus: Die Tugend ist nicht das alleinige Gut.
Teilgegenthese: Die Tugend
allein schafft nicht das glückseligste Leben.
Widerlegung Teilgegenthese: Man
ist ganz glückselig - oder gar nicht.
Verstärkung
Gegenthese:
Theophrast lehrt konsequent:
Schicksalsschläge, die auch Tugendhafte treffen,
können das Glück vernichten.
"Das Leben regiert Schicksal, nicht Weisheit".
Epikur, Metrodoros, Brutus (39),
Aristoteles, Speusippos, Xenokrates,Polemon
sind alle inkonsequent, weil sie Schicksalsabhängiges als Gut
oder Übel
deklarieren, gleichzeitig aber
den Weisen doch immer glücklich sehen.
Die Unerfahrenen lassen sich
dadurch täuschen, und so haben sie eine Menge
Anhänger.
Widerlegung:
Die Glückseligkeit ist die
Anhäufung aller Güter unter Abwesenheit der Übel.
Andere Güter als die Tugend
hängen vom Schicksal ab.
Ergo gibt es dauerhaftes Glück
nur dann, wenn die Tugend das einzige Gut ist.
Das andere ist weder Gut noch
Übel, sondern zu verachten.
Wer sich weise nennen will, muß
dies lehren (30).
Methode:
"Jenes aber ist die Pflicht eines Scharfsinnigen, nicht darauf zu sehen,
was
jemand sagt, sondern auf das,
was von diesem zu sagen wäre." Also die
Eingrenzung des Horizontes durch
andere zu bemerken (28).
Methode:
Konsequenz!
- "Also gefällt es mir ganz
allgemein nicht, die Folgerungen zurückzuweisen,
wenn erst einmal die
Voraussetzungen gebilligt wurden." (24).
- Lob der Konsequenz, auch wenn
die Folgerung falsch: "Ob das gut war, steht
nicht zur Debatte; konsequent
war es gewiß (24).
- Tadel der Inkonsequenz, auch
wenn Folgerung richtig: "Ob das konsequent...
ist, kümmert ihn nicht."
(26) und "Das wäre großartig, wenn es Ariston oder
Chios ... sagten, du aber
..." (27).
- "Also dürfen die
Philosophen nicht an einzelnen Worten betrachtet werden,
sondern an der Durchgängigkeit
und Konsequenz ihrer Lehre." (31).
32
- 40 Die Tugend allein bereitet
schon die Fülle der Glückseligkeit
Kritik:
Ciceros Argumentation
gegen Brutus sei inkonsequent, weil entgegen früher
Geschriebenem: Unterschied zw.
Peripatetikern und Zenon nur begrifflich.
Cicero:
Geschriebenes kein Dogma,
den Freiheit ist nur, wo man seine Auffassung von
einem Tag zum anderen
weiterentwickeln kann.
Zugeständnis:
Ja, Brutus kann konsequent sagen, der Weise sei immer glücklich.
Beharrt
auf These:
Die Tugend allein bereitet schon
die Fülle der Glückseligkeit.
Zwei
Beweise:
Autorität
als Zeuge: Sokrates bei Platon:
Gorgias: Die Tugendhaften sind
glückselig.
Epitaphios: Wer aus sich selbst
das hat, was zum Glück gehört, unabhängig
von Äußerem, dem ist das Prinzip
des Lebens aufs beste zubereitet. Dies ist der
Weise, und er fügt sich der
Realität, und ist nie allzu freudig oder traurig, weil
er Hoffnung nur auf sich setzt. "Aus
diesem platonischen Ursprung fließt wie
aus einem heiligen und erhabenen
Quell unsere ganze Darlegung."
Tugend
als volle Erfüllung der besonderen Natur des Menschen als göttlichem Geist:
Natur als Mutter aller: Läßt
jedes in seiner Art vollkommen sein, mit dem
versehen, was es braucht, nicht
mehr nicht weniger. In dieser Weise ist dem
Menschen ein Stück vom
göttlichen Geist gegeben, der unter Pflege zur
vollkommenen Einsicht, zur
Tugend gelangt. Der besondere Sinn der Tugend
ist, sich in seinem natürlichen
Wesen vollkommen zu entsprechen. Ergo ist
jeder, der im Besitz dieser
Tugend ist, glückselig.
Diese Glückseligkeit ist
zugleich vollkommen, denn es kann daran nichts
fehlen, da diese Tugend aus
einem selbst kommt. Wer dagegen Wankendes ein
Gut nennt, kann nicht glückselig
sein. Denn der glückliche Mensch muß
seines Glückes sicher sein.
Methode:
Geschriebenes kein Dogma, den Freiheit ist nur, wo man seine Auffassung
von einem Tag zum anderen
weiterentwickeln kann. (33).
41
- 44 Das glückselige Leben
besteht ganz allein aus Tugend
Der glückselige Mensch muß frei
sein von
- Kummer => Tapferkeit
- Ausgelassenheit => Mäßigkeit
Beides zusammen aber ist die
Tugend. (Schon an vorigen Tagen bewiesen).
Beides ist aber natürlich auch
das Glück.
Also:
Tugend => Glück.
Alles Gute, glückseligmachende,
ist erfreuend, damit löblich, damit
tugendhaft.
Also:
Glück => Tugend.
Fazit:
Das glückselige Leben besteht allein aus Tugend. Glück <=> Tugend.
Wie
ein Körnerhaufen muß das glückselige Leben aus Teilen bestehen, die ihm ähnlich
sind,
die tugendgemäß sind. Unähnliches verdirbt das Ganze.
Nebenbei:
Einzelner erreiche Ideal leichter als ein ganzer Staat
Sparta als Paradebeispiel, wo es
doch erreicht (42).
45
- 49 Das glückselige Leben
besteht im honestum, damit in Tugend
Gut
ist, was der Tugend entspricht:
Wen gut, dann erstrebenswert.
Dann zu billigen. Dann angenehm. Dann
würdig. Dann lobenswert. Dann
tugendgemäß.
Irrtümer
von Stoikern und Peripatetikern am Rande.
Sokrates:
Wie die Seele, so der Mensch; so die Sprache; so die Taten; so das Leben. Ein
guter, d.h. glückseliger Mensch
hat eine lobenswerte Seele, also eine
tugendhafte Seele,also auch ein
lobenswertes, ergo tugendhaftes Leben.
Der
glückselige Mensch bezieht alles auf das glückselige Leben (Geradezu
egoistisch!).
Das
glückselige Leben aber ist lobenswert. Also auch tugendhaft.
Also
macht die Tugend das glückselige Leben aus.
Das
unselige Leben dagegen ist unrühmlich, ergo untugendhaft.
Nebenbei:
Was gut ist, könne nicht jeder beliebige besitzen (46).
Nebenbei:
Guter Ruf beim Volke komme durch den Beifall der Toren und schlechten
Menschen zustande (46).
50
- 54a Tugend und Glückseligkeit
bedingen einander
Widerlegung
Gegenannahme:
Das glückselige und das
tugendhafte Leben wären nicht dasselbe.
Dabei gilt: Das Tugendhafte ist
immer das Bessere.
Ergo müßte ein besseres Leben
als das glückselige gesucht werden: Unsinn.
Analogie:
Laster bewirken das unselige Leben. Genauso bewirkt die Tugend das
glückselige.
Kritolaos
und Xenokrates heben die Tugend hoch hinaus.
Was hindert sie aber, auf der
Tugend das glückselige Leben schlechthin zu
begründen?
Wo
nicht die Glückseligkeit ist, ist auch keine Tugend:
Glückseligkeit nicht voll, dann
Kummer, dann Angst, dann Feigheit.
Die Tugend aber ist immer
unbesiegt und frei.
Wenn
andererseits die Tugend zum guten Leben führt, so auch zum glückseligen.
Denn wenn Tugend, dann tapfer,
dann großgesinnt, dann zufrieden mit dem,
was man hat.
Nebenbei:
Wenn ein tugendhafter Mensch in der Volksabstimmung eine Niederlage
erleidet, so lehnt nicht so sehr
ein tüchtiges Volk ihn ab, sondern er lehnt das
Volk ab (54).
54b
- 66 Beispiele glückseligen und
unseligen Lebens:
- Konsulat des C. Laelius
contra Konsulate des Cinna.
- C. Marius contra Catulus.
-
Dionysios; ausführliche Schilderung.
Eingeschlossen im Gefängnis
seines Mißtrauens.
Damokles-Geschichte.
Die Bürgschafts-Geschichte.
-
Platon und Archytas.
-
Archimedes
Cicero entdeckte sein Grab.
Genuß des Nachdenkens eine der
angenehmsten Speisen der Seele.
-
Demokrit, Pythagoras und Anaxagoras.
Nebenbei:
- Irrtum der Sprache: Wir nennen erlaubt sein, was jedem an Spielraum
gewährt ist (55).
- Es ist besser, Unrecht zu
leiden als Unrecht zu tun (56).
- Es ist besser, dem schon
nahenden Tod ein wenig entgegenzugehen, statt
kurz vor dem Tod noch sein Leben zu beschmutzen (56).
67
- 72 Der
Wahrheitssuchende kommt vergnüglich erkennend
zu
göttlicher Welt- und Selbsterkenntnis,
damit
zu Gelassenheit, damit zu Tugend
Die
Tugend, das Lobenswerte, führt zu glückseligem Leben.
Das Beste liegt in dem, was am
Menschen am Besten ist.
Was ist am Menschen besser als
ein wacher und gesunder Geist?
Ihn
genießen ist Glückseligkeit.
Das Gut des Geistes aber ist das Lobenswerte, die Tugend.
Das Lobenswerte ist voller
Freude.
Das glückselige Leben aber
besteht in Freude.
Eifriger,
begabter wahrheitssuchender Mensch erlangt dreifache Frucht des Geistes:
- Die Erkenntnis der Dinge
- Die Sonderung des Wünschbaren
und des zu fliehenden
- Das logische Denken
Welche
Freude muß die Seele des Weisen erfüllen, wenn er mit solchen Gedanken
seine Tage und Nächte verbringt?
Bei Erkenntnis der
Himmelsbewegungen, Ursprung der Erkenntnissuche
Es
entsteht die vom delphischen Gotte befohlene Selbsterkenntnis des Geistes,
die
Erkenntnis der Verbundenheit mit dem göttlichen Geiste.
- Daher unerschöpfliche Freude
- Daher Wunsch, Ewigkeit
nachzuahmen.
Mensch kann sich nicht bescheiden, wenn er sieht, wie alles mit
Vernunft
von Ewigkeit zu Ewigkeit regiert wird. Wie eines ans andere
passt.
- Daher Gelassenheit über das
Menschliche und Nahe.
- Daher dann Tugend und deren
Ausreichen für Glückseligkeit.
- Daher die Lehre vom
betrachtenden und urteilendem Denken.
Dieses ist Sache der Muße und ein Vergnügen und nützlich.
Dieser
Weise wird auch zur Verwaltung der öffentlichen Dinge übergehen.
Aus
der Freundschaft, ihrem Rat, dem Umgang, folgt größte Freude.
73
- 82a Der Weise ist auch in
Folter glückselig
Diese
Weisheit nicht dem Epikur überlassen:
- Epikur spiele nur die Rolle
eines Philosophen
- Habe nur seinen Namen
daruntergesetzt
- Sei nicht viel vom Niveau der
Tiere verschieden
- Glückselig auch in Folter,
aber Schmerz das größte Übel: Unsinn
- Sein einziges Mittel gegen
Schmerzen: Erinnerung an vergangene Freuden
Wenn
so einer sagt: Weiser auch in Folter glückselig, dann die anderen erst recht!
Peripatetiker und alte Akademie
sollte sich bekennen.
Der
Schmerz ist der grimmigste Gegner der Tugend. Mehr noch als Tod.
Aber:
Beispiele für beliebiges Ertragen des Schmerzes:
- Indien: Dortige Volks-Weise
abgehärtet, Witwen wollen verbrannt werden
- Ägypter: Aus Aberglauben
lieber Strafe als hl. Tiere zu verletzen
- Tiere: Aus Trieb Aushalten
jeden Schmerzes
- Ehrgeizige, Ruhmsüchtige,
Liebende ertragen Erstaunliches ...
Wir verweichlichen die Seele
durch Müßiggang, Meinungen, schlechte Sitten.
Dies
gehört zum Weisen:
Nichts tun, was ihn reuen
könnte.
Alles aus Willen tun,
Nichts als sicher erwarten.
Über keine Überraschung
überrascht sein.
Auf seinem eigenen Urteil ruhen.
Stoiker:
Der Weise ist immer glücklich.
Ziel der Güter: In
Übereinstimmung zur Natur leben.
Wer das höchste Gut hat, ist
glückselig.
Dies ist in der Gewalt des
Weisen.
82b
- 88 Alle Philosophen sind einig:
Die Tugend genügt zum Glück
Zu
Zeigen: Egal, was das Ziel des Lebens sei, die Tugend ist zum Glück genug.
Es
gäbe z.Z. folgende Meinungen über das Lebensziel:
- Stoiker: Es gibt nichts Gutes
außer der Tugend
- Epikur: Es gibt nichts Gutes
außer der Lust
- Hieronymos: Es gibt nichts
Gutes außer der Freiheit vom Schmerz
- Karneades: Es gibt nichts
Gutes, außer dem Genuß der elementaren Güter
der
Natur
- Peripatetiker und ähnlich die
Akademiker:
Drei
Arten von Gütern in Rangfolge:
-
Der Seele
-
Des Körpers
-
Die Äußeren
- Deinomachos und Kalliphon:
Lust und Tugend zusammen
- Peripatetiker Diodoros:
Schmerzlosigkeit und Tugend zusammen
- Die Lehren des Ariston,
Pyrrhon, Erillos u.a. sind untergeganen
Zu
den einzelnen Lehren:
- Stoiker: Weglassen, schon
genug erörtert.
- Peripatetiker: Heben Tugend
schon jetzt in höchste Höhen.
Das Übel wird im Vergleich dazu erdrückt.
Ausnahme: Theophrast
Gleichnis vom einträglichen Geschäft und fruchtbaren Acker,
die auch nicht alle Jahre besten Ertrag bringen.
- Genauso Aristoteles,
Xenokrates, Speusippos, Polemon,
Kalliphon und Diodoros
- Übrige: Schwieriger, aber auch
möglich.
Epikur, Hieronymos und Karneades.
Alle machen Geist zum Richter über das, was wahrhaft gut ist.
Alle sind gegen Tod und Schmerz gewappnet.
Epikur nennt Todestag glückselig, Tod gehe uns nichts an.
Schmerzen durch Erinnerung an
Gutes ertragen.
Epikur
sei hier wie alle Philosophen gerüstet.
Methode:
Cicero könne sich unter den Philosophen allein die Freiheit nehmen, nach
allen Richtungen zu denken, da
er sich in nichts dogmatisch festlege und nach
allen Seiten offen bleibt, damit
seine Rede aus sich selbst und ohne die Last
einer Autorität beurteilt werden
kann (83).
89
- 102 Wie alle lehrt selbst und
gerade auch Epikur Genügsamkeit
Keiner
fürchtet die Armut.
Keiner
hat mehr über die bescheidene Lebensform gesprochen als Epikur.
Skythe Anacharsis: Genügsamer
Barbar. Philosophen aber nicht?
Alle
Philosophen konnten dieser Gesinnung sein.
- Sokrates: Wie vieles begehre
ich doch nicht haben zu wollen!
- Xenokrates: Nahm 50 Minen von
Alexander nicht an.
- Diogenes: Geh ein wenig aus
der Sonne.
Epikur
kennt drei Arten von Begierden:
- Natürliche und notwendige
Begierden:
Mit fast nichts zu befriedigen, denn die Natur steht zur
Verfügung.
- Natürliche und nicht
notwendige Begierden:
Weder schwer zu erlangen noch schwer zu entbehren.
- Alle anderen Begierden:
Nichtig und unnatürlich.
Weitgehende
Bescheidenheit kultiviert.
Sich
unpassender Lustarten zu enthalten, wenn es Gesundheit, Pflicht oder Ruf
erfordert, sei leicht.
Solche Lüste wünschbar, aber
nicht nützlich.
Kalkül
des kleineren Übels vorhanden; nimmt damit auch gern Schmerz in Kauf.
Das
mit dem Körper erfahrene Lustvolle beziehe sich auf die Seele.
Die Seele halte auch vergangene
Lust fest und freue sich auf zukünftige.
Üppigkeit
der Gastmähler gerügt.
- Dareios: Unter Durst
verunreinigtes Wasser als köstlich empfunden.
- Ptolemaios: Unter Hunger
grobes Brot als beste Speise empfunden.
- Sokrates: Kaufte durch
Umhergehen zur Speise den Hunger als Zubrot ein.
- Spartaner: Schwarze Brühe
gewürzt mit Mühe, Schweiß, Hunger, Durst.
- Tiere: Mit dem zufrieden, was
vor ihnen liegt.
- Ganze Staaten, die wohlerzogen
sind: Spartaner, Perser.
- Gesundheit, die aus solcher
Lebensweise erfolgt, gegen die schwitzenden,
gemästeten, aufstoßenden Opferstier-gleichen
- Athener Timotheos
- Brief Platons: Zweimal am
Tag sich vollstopfen, niemals die Nacht allein
zubringen
und was sonst mit diesem Leben zusammenhängt, da kann
keiner
jemals weise werden.
- Irrtum des assyrischen Königs
Sardanapal: Grabinschrift: Er besitze nur, was
er
gegessen hat. Aristoteles: Was anderes hätte man auf das Grabmal
eines
Rindes schreiben können?
Freude
an Kunst auf öffentlichen Plätzen befriedigbar.
Wer selbst Statuen etc. besitzt
ärgert sich, wenn er bedenkt, woher er sie hat ...
103
- 105 Ansehen beim
tugendhassenden Pöbel ist zu verachten
Mangel
an Ansehen ein Hinderungsgrund zum Glück?
Demosthens freute sich über Lob.
Konnte
zu anderen reden, aber nicht zu sich selbst.
Demokrit: Keiner in Athen habe
ihn gekannt. Würdig.
Kunst
des Weisen wird sich nicht nach dem Geschmack der Menge ausrichten,
genau wie die Kunst der Musiker.
Leute
als einzelne verachten, in Summa aber hochschätzen? Unsinn.
Ehrungen
des Volkes sind zurückzuweisen.
Jedes
Volk haßt das, was an Tugend hervorragt.
Heraklit über den verjagten
Epheser Hermodoros:
Epheser:"Keiner
von uns darf hervorragen".
Cicero erwähnt lieber aus- als
inländische Beispiele.
Von
wieviel Kummer sind nicht jene frei, die gar nicht erst mit dem Volke in
Beziehung treten.
Was ist angenehmer als die Muße?
106
- 110 Die Verbannung vermag den
Weisen nicht zu erschüttern
Verbannung
wird zu den größten Unglücken gerechnet.
- Namensverlust beim Volke ist
nichtig.
- Vermögensverlust ebenfalls.
- Heimatverlust: Ähnelt einer
dauernden Reise
Die vornehmsten Philosophen reisten und kehrten nie mehr nach
Hause
zurück: Xenokrates,
Krantor, Arkesilas, Lakydes, Aristoteles, Theophrast,
Zenon,
Kleanthes, Chrysippos, Antipater, Karneades, Kleitomachos,
Philon, Antiochos,
Panaitios, Poseidonios u.v.a.
- Schande? Ein Weiser wird nie zurecht verbannt. Es ist also keine
Schande.
Trostreiche
Gedanken und Beispiele:
- Teukros: "Patria est,
ubicumque est bene."
- Sokrates, auf die Frage, wo er Bürger sei: "Im Kosmos".
- T. Albucius hat als Verbannter
in Athen Philosophie getrieben.
- Wie soll man einen Staat
einschätzen, der die Tüchtigen und Weisen
vertreibt?
- Vater des Tarquinius töricht,
weil der die Freiheit des Exils der Sklaverei
zuhause vorzog?
- Allgemein gälte: Wer Kummer
vergißt und Sinn auf Lust lenkt, vermag
glückselig zu leben.
111
- 117a Blind- und Taubheit
vermögen den Weisen nicht zu erschüttern
Argumente
und Beispiele zum Thema Blindheit:
-
Beim Auge säße die Lustempfindung nicht im Sinnesorgan, behaupten einige.
-
Der Weise bedarf zum Nachdenken keine Augen.
-
Nacht behindert nicht das Glück, wie dann die Abwesenheit des Tages, der der
Nacht
ähnlich ist? Kyrenaiker Antipater zu
mitleidigen Weibern: "Kennt ihr denn in der
Nacht keinerlei Lust?"
-
Appius führte öffentliche Ämter tadellos.
-
C. Drusus: Haus voller Ratsuchenden.
"Da diese in ihren eigenen
Angelegenheiten nicht klar sahen, verwendeten sie einen
Blinden als Führer."
-
Praetor Cn. Aufidius: Redete im Senat, beriet sich, verfaßte Geschichtswerk,
kannte
Literatur.
-
Stoiker Diotos viele Jahre bei Cicero im Hause: Philosophierte noch intensiver,
übte
Lyra, lies sich vorlesen, gab Unterricht in
Geometrie.
-
Eretrischer Philosoph Asklepiades: Blindheit bedeute für ihn, daß sich seine
Begleitung um einen Sklaven vermehrt habe.
-
Demokrit konnte trotz schwächerer Augen gut und böse scharf unterscheiden und
meinte, das Schauen hindere die Schärfe des
Geistes.
-
Homer beschrieb alles in Einzelheiten.
-
Seher Teiresias
-
Polyphem klagte über Blindheit: War auch um nichts klüger als ein Widder.
Argumente
und Beispiele zum Thema Taubheit:
-
M. Crassus war lieber taub als Schlechtes über sich zu hören.
-
Wer eine fremde Sprache, Griechisch oder Lateinisch nicht kann, ist in dieser
taub.
-
Man hört nicht das Kreischen der Säge oder der abgestochenen Schweine oder das
Getöse der Brandung.
-
Gesang:
- Viele Weise lebten glücklich,
bevor er erfunden wurde.
- Das Lesen der Texte bereite
viel größeres Vergnügen als das Hören.
-
Wer mit sich selbst zu reden fähig ist, bedarf des Gesprächs mit anderen nicht.
117b
- 118 Unüberwindlicher Schmerz
überwindet den Weisen nicht:
Selbsttötung
Wenn
alles zusammenkommt:
Blindheit,
Taubheit, größte körperliche Schmerzen.
Wenn
sie nicht gleich töten, dann ist der Tod die Zuflucht der Unempfindlichkeit.
Er
übersieht den Fall: In Folter kann man sich nicht selbst töten.
Im
Leben gelte die Regel, die bei den Symposien der Griechen gilt:
"Aut bibat, aut abeat".
Dies sagt Epikur wie auch Hieronymos.
119
- 120 Alle Philosophen einig: Der
Weise kann stets glücklich leben
Wenn
dies nun selbst diejenigen Philosophen so sehen, die die Tugend für eitel
halten,
um
wieviel mehr müssen es dann die so sehen, die sich auf Sokrates und Platon
gründen?
Er
übergeht die unpassende Ausnahme Theophrast.
Streit
zwischen Peripatetikern und Stoikern um "Güter" und
"Vorzüge" von Karneades
als
Schiedsrichter entschieden: Streit um Worte.
Cicero
geht es nur darum, daß die Philosophen für die dauernde Möglichkeit des
Weisen sprechen, gut zu leben,
wie es eines Philosophen würdig ist.
121 Schluß
Morgen
früh Abreise.
Cicero
wird die Gespräche aufschreiben - wie könnte er diese [aufgezwungene] Muße
sonst
verwenden?
Sendung
der Bücher an Brutus, der Cicero zum philosophischen Schreiben provoziert
hat.
"Wie weit wir
dabei anderen nützlich sein werden, kann ich nicht leicht sagen. Von uns
jedenfalls konnte in bittersten Schmerzen und den verschiedenen, von allen
Seiten zusammenströmenden Belästigungen keine andere Linderung gefunden
werden."
Finis.