Thorwalds Weltbild-Seiten

Einiges aus Karl Otto Conrady – Goethe, Leben und Werk

© Thorwald C. Franke

 

Denn was man schwarz auf weiß besitzt,

kann man getrost nach Hause tragen.

 

Gelesen: 9. Juni – 6. November 2002

Ausarbeitung: 7. – 9. November 2002

 

Inhalt:

 

 

Goethes Weltbild:

 

Hermetik, Neuplatonismus:

77, 81  1769 Krank in Frankfurt: Kontakt zum Kreis um Susanna Klettenberg, die der

pietistischen Glaubenshaltung der Herrnhuter Brüdergemeinde nahe stand.

Tatsächlich lasen sie aber z.B. auch Wellings opus mago-cabbalisticum ...

79        Goethe beschäftigte sich mit Hermetik, gefördert durch den Klettenberg-Kreis.

            Darstellung der Hermetik.

81        Goethe bezeichnet Beschäftigung mit Hermetik u.ä. rückblickend als „Krankheit“.

82-84  1769 Goethe bastelt sich aus Neuplatonismus und hermetischen Spekulationen

tastend seine eigene persönliche Privatweltanschauung, die er nach außen eher

verschleiert, und die sich in Grundzügen sein ganzes Leben durchhalten wird.

85        Goethe beharrte ausdrücklich auf dem persönlichen Charakter seines Weltbildes.

84        1770 Goethe befasste sich mit alchemistischen Experimenten.

610      1794 Goethe schweigt über Deutungsmöglichkeiten seiner Werke, die klar hermetisch

beeinflusst sind, vielleicht weil er eben diesen Kern verschleiern möchte.

843      Goethe bleibt hermetisch beeinflusst: Systole – Diastole, Polarität – Steigerung usw.

957      Eine Quelle Goethes: Plotin – Schönheit.

 

Spinoza:

223      1774 Goethe sprach viel über Spinoza, fasziniert von ihm, Details dargelegt.

193      1780 Jacobi zeigt Lessing Goethes Prometheus-Hymne. Lessing findet sich darin

wieder (En kai pan) und bekennt sich zum Spinozismus.

1785 Jacobi veröffentlicht das => Spinozastreit.

223      Von Jacobi veröffentlichte Prometheus-Hymne wurde „zum Zündkraut einer

Explosion, welche die geheimsten Verhältnisse würdiger Männer aufdeckte.“ (Jacobi).

Bsp. Lessing. Spinozismus als öffentliches Reizwort, unter Atheismusverdacht.

394      1785 Spinoza misst Einzeldingen Göttlichkeit zu; stützt Goethes Naturanschauung;

            Studie nach Spinoza.

 


Klassische antike Denker:

171      1772 Homer, Xenophon, Plato, Anakreon und Pindar hätten ihn ganz in Beschlag.

959      1826 Publikation Polemik gegen die christliche Platon-Deutung Graf Stolbergs.

1000    Über Plato: „Alles, was er äußert, bezieht sich auf ein ewig Ganzes, Gutes, Wahres,

Schönes, dessen Forderung er in jedem Busen aufzuregen strebt.“

881,      Goethes symbolische Weltschau: Platons Urbilder, die nicht direkt erkennbar sind,

  1006  nur im Abglanz, in Einzelnem sichtbar.

 

Andere Denker:

769      1800 Goethe findet sich ganz in Schellings Ideenwelt wieder.

957      Quelle Goethes: Giordano Bruno – Gott und Welt, Geist und Materie sind eins.

957      Quelle Goethes: Leibniz: Einzelwesen streben nach Lebensziel, universelle Harmonie.

928      „Ich hatte mir aus Kants Naturwissenschaft nicht entgehen lassen, dass Anziehungs-

und Zurückstoßungskraft zum Wesen der Materie gehören, und keine von der andern

im Begriff der Materie getrennt werden könne; daraus ging mir die Urpolarität aller

Wesen hervor, welche die unendliche Mannigfaltigkeit der Erscheinungen durchdringt

und belebt.“

 

Methodik: Eklektik, Sinnlichkeit, Genauigkeit, Ganzheit

362      1779 Goethes „Anschauungsfrömmigkeit“: „Ich denke auch aus der Wahrheit zu sein,

aber aus der Wahrheit der fünf Sinne, und Gott habe Geduld mit mir wie bisher“.

879      1831 Goethe bekennt sich als religiös, findet sich in Hypsistariern wieder.

            Diese verehrten eklektisch das Höchste, ohne es zu genau zu definieren.

488      1789 Abkehr Goethes vom allzu leichten Analogisieren, Schwärmen quasi,

            hin zu mehr Genauigkeit, Konkretisierung, Selbstdisziplin.

709      1812 Gemüt dürfe nicht über Geist gesetzt werden.

(Wohl mehr im Sinne von Genauigkeit, Selbstdisziplin als im Sinne von Verstand)

920      Analyse ist nicht alles, die Dinge als Ganzes sehen.

923      Sinnliche Erfahrung zählt, Apparate und Experimente als lebensfern kritisiert.

1030    1832 Idee und Erfahrung, Synthese und Analytik beide notwendig.

 

Methodik: Ideiertes und Erfahrenes sollten sich treffen, Ausweg: Symbolik

953      Annahme einer quasi prästabilierten Harmonie zwischen Ideen und Erfahrungen.

923      Ideiertes und Erfahrung kommen schwer zusammen. Kaum lösbar.

924      Verwirft lieber „empirische Brüche“ als seine Ideen.

954      Unlösbarer Konflikt, „Unmöglich ist’s, drum eben glaubenswert“ => Symbolik.

955      Alles Vergängliche nur als ein Gleichnis, Symbol, der einen, ewigen Idee in allem.

881,      Goethes symbolische Weltschau: Platons Urbilder, die nicht direkt erkennbar sind,

  1006  nur im Abglanz, in Einzelnem sichtbar.

956      1819 Einordnung von Religion, Kunst und Wissenschaft:

Religion => Idee.

Wissenschaft => Erfahrung.

Kunst => Hier trifft sich beides.

 


Gott-Natur:

224      1812 Gott durch Natur nicht verborgen, sondern in Natur selbst.

905      „Wir können bei Betrachtung des Weltgebäudes, in seiner weitesten Ausdehnung, in

seiner letzten Teilbarkeit, uns der Vorstellung nicht erwehren, dass dem Ganzen eine

Idee zum Grunde liege, wonach Gott in der Natur, die Natur in Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit, schaffen und wirken möge. Anschauung, Betrachtung, Nachdenken führen uns näher an jene Geheimnisse.“

910      Gott und Natur sind eins. Gott ist nicht jenseitig, übernatürlich oder persönlich.

922      Alles, was ist, bildet eine große psycho-physische Einheit.

929      Materie nie ohne Geist, Geist nie ohne Materie.

954      1815 Ein „allgemeines Glaubensbekenntnis“ Goethes:

            Subjekt und Natur enthalten sich gegenseitig, jedes hat aber auch ein „Mehr“ an sich,

das das andere nicht hat. Das „Mehr“ der Natur kann vom „Mehr“ des Subjekts nur

geahnt werden. Was beides umfasst sei Gott.

 

Urphänomen:

392      1776 Anfänge der Naturforschung, botanische Studien.

925      Urpflanze, Urtier.

927      Urphänomen, letzte Idee sollte in allem real und erfahrbar sein.

953      In allem stecke und zeige sich die eine Idee, die Goethes Gott ist.

 

Morphologie:

921      1795 Definition der Morphologie.

1817 Es gibt kein bestehendes, alles befindet sich in ständiger Umgestaltung.

396      1780 Mineralogie; Neptunisten vs. Vulkanisten.

398      1781 Anatomie, Osteologie, Bänderlehre.

1784 Zwischenkieferknochen (nach-)entdeckt: Mensch => Affe => Säugetier.

486      1790 Die Metamorphose der Pflanzen.

926      Aus- und Umbildung durch Fortpflanzung.

928       Polarität und Steigerung als „die zwei großen Triebräder der Natur“.

929      Magnetismus wegen Polarität unmittelbar an der Idee stehend gesehen.

838      1810 Goethes Farbenlehre. Veränderung der Farbe im Trüben.

930      1815 Morphologie der Wolken.

958      1816 Erkenntnis des wiederkehrenden Immergleichen => Erfahrung der Zeitlosigkeit.

958      Morphologische Gedichte: Denn alles muss ins Nichts zerfallen

vs. Kein Wesen kann zu nichts zerfallen. Im Sein ist alles aufgehoben.

785      „Wenn ich an meinen Tod denke, darf ich, kann ich nicht denken, welche Organisation

zerstört wird.“

220      1775 Lavaters Physiognomie. Idee: Physiognomie => Charakter. Menschenkenntnis.

456      Daimon: Das Angeborene, das über den Menschen verhängte. Charakter.

910      Urworte, orphisch: Determination und Freiheit. Daimon, Tyche, Eros, Ananke, Elpis.

955      Veränderung der Weltbildhaltung nach Lebensalter:

            Kind – Realist, Jüngling – Idealist, Mann – Skeptiker, Greis – Mystizismus.

 


Ethik:

387      1783 Hymne „Das Göttliche“: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut! ...

            Nur allein der Mensch ... unterscheidet ... Er allein darf Den Guten lohnen,

            den Bösen strafen, ... Unermüdet schaff’ er das Nützliche, Rechte, sei uns

            ein Vorbild jener geahneten Wesen!“

960      Wanderjahre:

            „Ethische Religion“: Ehrfurcht, vor dem, was über uns.

            „Philosophische Religion“: Ehrfurcht, vor dem, was gleich uns.

            „Christliche Religion“: Ehrfurcht vor dem, was unter uns.

            Alle drei zusammen die „wahre Religion“: Ehrfurcht vor uns selbst.

            Der Mensch ist das höchste, „was Gott und Natur hervorgebracht haben.“

929      „Das letzte Produkt der sich immer steigernden Natur ist der schöne Mensch.“

911      Wanderjahre: Anklang an Kants Bestirnter Himmel über uns – sittliches Gesetz in uns.

960      1832 Jesus als „göttliche Offenbarung des höchsten Prinzips der Sittlichkeit“,

            da hier Niedriges erhöht werde, sogar Schlechtes zum Guten gewendet werde.

960      Ethische Regeln, Gewissen, sind jedem angeboren.

467      1790 „Ich bin verheiratet, nur nicht mit Zeremonie.“

834      Ehe trotz aller bekannten Schwierigkeiten gutgeheißen.

 

Einsamkeit, Weltschmerz, Hoffnung, Unnahbarkeit, einige Stellen:

26        Über Goethes Briefverbrennungen (Autodafés).

196      „Werther“ als Rettung, Verlassenheit, Melancholie, Lebensüberdruss.

258      Werther-Stimmung wegen Lili.

460      1788 In Italien das erste Mal unbedingt glücklich gewesen.

            1828 Was eigentlich ein Mensch sei, habe er nur in Rom empfunden.

471      1789 G. A. Bürgers Spottvers auf den steifen Minister.

772      1813 Humboldt über Goethes Unfähigkeit zur Geselligkeit, seine Einsamkeit.

195      1816 „Da begreift man denn nun nicht, wie es ein Mensch noch vierzig Jahre in dieser

Welt hat aushalten können, die ihm in früher Jugend schon so absurd vorkam“

904      1817 „Leben heißt doch eigentlich nicht viel mehr als viele überleben“.

            Seine Briefe durchzogen von Hinweisen auf seine Einsamkeit.

915      Entelechie: Postulat Goethes, Hoffnung ohne Grund, letztlich Glaube.

 

Einzelnes:

731      1798 Atheismusstreit um Fichte.

            Carl August: Goethe sei „ordentlich kindisch über das alberne critische Wesen“

            der Philosophie und finde einen solchen Geschmack daran, dass er „den seinigen

darüber verdorben“ habe.

957      Goethe habe wohl in einem starken Urvertrauen, einer „Seinsgeborgenheit“, gelebt.

 

Religion allgemein:

 

Religiöser Relativismus,

beschwichtigende Nivellierung verschiedener Anschauungen:

85        1773 „Brief des Pastors zu xxx ...“:

Wenn wir immer „recht im Herzen fühlten, was das sei: Religion, und jeden auch

fühlen ließen, wie er könnte, und dann mit brüderlicher Liebe unter alle Sekten und

Parteien träten, wie würde es uns freuen, den göttlichen Samen auf so vielerlei Weise

Frucht bringen zu sehen. Dann würden wir ausrufen: Gottlob, dass das Reich Gottes

auch da zu finden ist, wo ich’s nicht suchte.“

Hauptthema des Schreibens sei „die Losung der damaligen Zeit, sie hieß Toleranz ...“.

131      1773 „Brief des Pastors zu xxx ...“:

„Denn wenn man’s bei Lichte besieht, so hat jeder seine eigene Religion ...“.

            „Wer Jesum einen Herrn heißt, der sei uns willkommen, können die anderen auf ihre

eigene Hand leben und sterben, wohl bekomme es ihnen.“

959      1782 „In unsers Vaters Apotheke sind viele Recepte“.

955      1815 Das „Mehr“ in der Welt von allen Völkern von jeher Gott genannt.

910      1817 Völker nennen ihr Bestes Gott. Damit Religion vor allem ethisch verstanden.

 

Parsismus, Islam:

867      1820 „Diese mohammedanische Religion, Mythologie, Sitte geben Raum einer Poesie,

wie sie meinen Jahren ziemt. Unbedingtes Ergeben in den unergründlichen Willen

Gottes, heiterer Überblick des beweglichen, immer kreis- und spiralartig

wiederkehrenden Erdetreibens, Liebe, Neigung, zwischen zwei Welten schwebend,

alles Reale geläutert, sich symbolisch auflösend. Was will der Großpapa weiter?“

878      West-östlicher Divan: Goethe mische orientalische mit christlichen Vorstellungen.

            Orientalisch: Allliebender, gerechter Gott, Sinnenfreude.

            Okzidental: Kein Fatalismus, sondern wissende Entsagung.

 

Chinesische Weltvorstellungen:

1023    1827 Chinesisches Analogon zum West-östlichen Divan.

 

Christentum:

 

Persönliche Ablehnung Christentum:

30        1755 Hebräisch-Lehrer weicht biblischen Fragen des Kindes aus;

Bekanntschaft mit Auslegungsstreitigkeiten der Theologen über dessen Bibliothek.

32        1755 Erdbeben von Lissabon: Zweifel am guten Gott, wieder Bekanntschaft mit 

Interpretationsstreitigkeiten der Gelehrten, diesmal in Sachen Erdbeben.

34        Goethe baute sich als Kind einen eigenen Altar, die Kerzen brannten aber ins Holz,

            was er den Eltern verbergen musste, wodurch ihm die Sache gründlich verleidete.

76        1768 „Freilich bin ich mit allem dem kein Christ, ...“

219      1773 „Ich bin kein Christ“.

132,     1782 an Lavater: Er sei „zwar kein Widerchrist, kein Unchrist, aber doch ein

    431      dezidierter Nichtchrist“.

916      1827 Mit der „ewigen Seligkeit“ wisse er nichts anzufangen.

 

Grundsätzliche Ablehnung Christentum:

215      1774 Fragment „Der Ewige Jude“: Religionssatire.

            Wiederkunft Jesu, findet hohlen Ritus, auch Reformation hat nichts verändert.

219      1774 „Brauch ich Zeugnis ...? ... Und so ist das Wort der Menschen mir Wort Gottes,

es mögens Pfaffen oder Huren gesammelt und zum Canon gerollt ... haben. Und mit

inniger Seele fall ich dem Bruder um den Hals Moses! Prophet! Evangelist! Apostel,

Spinoza oder Machiavell ...“

432      1775 „Wenn nur die ganze Lehre von Christo nicht so ein Scheißding wäre, das mich

als Mensch als eingeschränktes, bedürftiges Ding rasend macht, so wäre mir auch das

Objekt lieb.“

670      1797 Ballade „Die Braut von Korinth“. Gegen christliche Sinnenfeindlichkeit.

            „Opfer fallen hier, weder Lamm noch Stier, aber Menschenopfer unerhört.“

672      1797 Ballade „Der Gott und die Bajadere“. Liebe genüge als Heiligendes.

            Story ist Vorlage für Brechts Guten Menschen von Sezuan.

959      1782 Wunder im Leben Jesu waren ihm „Lästerungen gegen den großen Gott und

seine Offenbarung in der Natur“.

431      1787 Die Bauart von S. Marco in Venedig schien ihm „jeden Unsinns wert, der jemals

drinne gelehrt oder getrieben worden sein mag.“

431      1788 Fronleichnam: „Ich bin nun ein für allemal für diese kirchlichen Zeremonien

verdorben, alle diese Bemühungen, eine Lüge gelten zu machen, kommen mir schal

vor, und die Mummereien, die für Kinder und sinnliche Menschen etwas Imposantes

haben, erscheinen mir, auch sogar wenn ich die Sache als Künstler und Dichter

ansehe, abgeschmackt und klein. Es ist nichts groß, als das Wahre, und das kleinste

Wahre ist groß.“

431      1788 „Es bleibt wahr: Das Märchen von Christus ist Ursache, dass die Welt noch 10/m

Jahre stehen kann und niemand so recht zu Verstand kommt, weil es ebenso viel Kraft

des Wissens, des Verstandes, des Begriffs braucht, um es zu verteidigen als es zu

bestreiten.“

959      1823 Goethe habe eine „geniale Characteristick der Kirchengeschichte als Product des

Irrthums und der Gewalt“ entworfen.

959      1831 Kreuz sei „das leidige Marterholz, das Widerwärtigste unter der Sonne“, das

            „kein vernünftiger Mensch auszugraben und aufzupflanzen bemüht sein“ sollte.

 

Kritik an Christen:

87        1770 Über Straßburger Pietisten: „Lauter Leute von mäßigem Verstande, die mit der

ersten Religionsempfindung auch den ersten vernünftigen Gedanken dachten, und nun

meinen, das wäre alles, weil sie sonst von nichts wissen.“

218      1773 Lavater: Letztlich Negativbild des hartnäckig gläubigen Christen für Goethe.

687      1797 „Kreuzigen sollte man jeglichen Schwärmer im dreißigsten Jahre, /

            Kennt er nur einmal die Welt; wird der Betrogene der Schelm“.

 

Verschlimmbesserungsideen:

129      1771 Goethes Dissertation:

            Dass Jesus nicht Begründer des Christentums sei, sondern einige weise Leute.

            Dass die christliche Religion nichts sei als eine Art gesunde Politik.

            Staat solle Kultus und Lehre festlegen; was jeder bei sich denke, solle frei sein.

            Zehn Gebote nicht Bundesgebote, Bibel gebe dies falsch wieder.

            Die Dissertation „dürfe wohl bei keiner guten Polizei zum Druck erlaubt“ werden.

129      Goethes Erscheinen in Straßburg: Er habe eine Rolle gespielt, „die ihn als einen

überwitzigen Halbgelehrten und als einen wahnsinnigen Religionsverächter nicht eben

nur verdächtig, sondern ziemlich bekannt gemacht“ habe.

Er müsse „in seinem Obergebäude einen Sparren zuviel oder zuwenig haben“.

131      1773 Gegen Dogmen und Regeln, gegen „theologische Kameralisten“.

131      1773 „Brief des Pastors zu xxx ...“:

            „Eine Hierarchie ist ganz und gar wider den Begriff einer echten Kirche.“

            „Die christliche Religion in ein Glaubensbekenntnis bringen, o ihr guten Leute!“

959      Wanderjahre: Das Leben Jesu sei „für den edlen Teil der Menschheit noch belehrender

und fruchtbarer, als sein Tod“. Im Leben sei er ein „Weiser im höchsten Sinne

gewesen“, indem er das Niedrige zu sich herauf steigerte, und sei so Gott ähnlich

geworden.

Über Jesu Leiden bliebe besser ein Schleier, weil man sie so hoch verehre, weil sie

vom Leben ablenkten.

 


Herder:

103      Herder war Geistlicher geworden, „weil ich wusste, und es täglich aus der Erfahrung

mehr lerne, dass sich nach unserer Lage der bürgerlichen Verfassung von hier aus am

besten Kultur und Menschenverstand unter den ehrwürdigen Teil der Menschen

bringen lasse, den wir Volk nennen.“

103      1763 Herder: „Du Philosoph und du Plebejer! Macht einen Bund um nützlich zu

werden“. – „Alle Philosophie, die des Volks sein soll, muss das Volk zu seinem

Mittelpunkt machen“; die ganze Philosophie müsse Anthropologie werden.

105      Ursprüngliches, Individuelles interessierte ihn. Ungekünsteltes. Rousseau.

106      Goethe: „Wäre Herder methodischer gewesen, so hätte ich auch für eine dauerhafte

Richtung meiner Bildung die köstlichste Anleitung gefunden ...“.

108      Systematik ist Herders Sache nie gewesen.

224      1769 Herder: „Spinoza glaubte, dass alles in Gott existiere. ... Es ist also kein Gott

ohne Welt möglich: So wie keine Welt ohne Gott.“

431      Herder deutete Jesus als Lehrer und Verkünder der Humanität.

294      1776 Goethe und Wieland betreiben Herders Berufung zum Generalsuperintendenten

            gegen den Widerstand „orthodoxer“ Theologen.

731      Fichtes Verteidigung im Atheismusstreit: Verweist auf Herder, „dessen publizierte

Philosopheme über Gott dem Atheismus so ähnlich“ sähen wie ein Ei dem anderen;

der aber würde nicht zur Verantwortung gezogen.

 

Gegen romantisch motivierte katholische Konversionswelle:

763      Ursache für Konversionen: Radikale Individualität => Zurück zu Bindungen.

717      Fritz Stolberg, Brüder Riepenhausen, Friedrich Schlegel konvertieren.

            Winckelmann angeblich aus Sachzwängen konvertiert.

822      Zacharias Werner konvertiert. Konversionen als böses „Zeichen der Zeit.“

770      1816 Es kam Goethe komisch vor, „wenn wir zur dritten Säkularfeier unseres

protestantisch wahrhaft großen Gewinnes das alte überwundene Zeug nun wieder

unter einer erneuten mystisch-pantheistischen, abstrus-philosophischen, obgleich im Stillen keineswegs zu verachtenden Form wieder eingeführt sehen sollten.“

891      1817 Aufsatz „Neu-deutsch religios-patriotische Kunst“: Abrechnung.

            Gegen „altertümelnden, christkatholischen Kunstgeschmack“.

1817 Alle Welt sei „dieser Kinder-Päpsteley satt“.

966      1829 „Das Klassische nenne ich das Gesunde, und das Romantische das Kranke“.

1831 Die neukatholische Sentimentalität sei von Einzelnen ausgegangen und

            habe sich „als geistige Ansteckung“ verbreitet.

762      1831 F. Schlegel sei „am Wiederkäuen sittlicher und religiöser Absurditäten“ erstickt.

 

Einzelnes Christentum:

960      1832 Jesus als „göttliche Offenbarung des höchsten Prinzips der Sittlichkeit“,

            da hier Niedriges erhöht, sogar Schlechtes zum Guten gewendet werde.

961      Sakramente als „das sinnliche Symbol einer außerordentlichen göttlichen Gunst und

Gnade.“

            Bibel ist ihm so voller Gehalt, „dass sie mehr als jedes andere Buch Stoff zum

Nachdenken und Gelegenheit zu Betrachtungen über die menschlichen Dinge

darbietet.“

779      1802 Konfirmation von Goethes Sohn durch Herder. Goethe: Dieser möge ihn „auf

eine liberalere Weise als das Herkommen vorschreibt“ in die „christliche

Versammlung“ einführen.

 


Politisches:

 

Verfall, Veränderungen, Reformen:

526      1781 Goethe spürt am Fall Cagliostro sehr feinsinnig den inneren Verfall der

Gesellschaft, der sich im Verborgenen, im Untergrund vollzieht.

„große Masse Lügen, die im Finstern schleicht“

532      Hauptfehler der Politik: Vorteilsnahme, Korruption, Vernachlässigung des

Staatswohles => Unglaubwürdigkeit der Politiker.

501/11 Gute Darstellung der französischen Revolution und deutscher Reaktionen.

516/36 Goethe ist kein Freund der Revolution, Glaube an dritten Weg.

590      1795 Schiller beschreibt das Phänomen der Entfremdung.

1012    1831 Mummenschanz in Faust II als Allegorie der Marktwirtschaft, der Werbung.

 

Gesellschaftsentwürfe:

521      1772 Konstitution aus allgemeinen Prinzipien: Zerstöre Individuelles. Despotie.

532      Besonders Angehörige unterer Schichten begingen gerne den Hauptfehler (s.o.)

532      Parteibildung in franz. Nationalversammlung im Geist der Zeit abgelehnt.

533      1792 Monarch stehe für allgemeines Interesse, Volk zerfalle in Privatinteressen,

            In einer Monarchie könne Missbrauch leichter abgewehrt werden.

962      1817 Erstaunlich starker Geschichtspessimismus. Abwärtszyklisch.

992      Wanderjahre: Politische Utopie der „Pädagogischen Provinz“.

            Jeder tätig an seinem Platz, gesellig, nicht zurückgezogen.

Obrigkeit, Kultus. Legitimation Obrigkeit offen gelassen.

997      1830 Goethe klar gegen staatssozialistische Entwürfe der Saint-Simonisten.

524      Volk nur dann dumm, wenn dumm gehalten. Wenn kultiviert, dann klug.

998      „Nichts ist widerwärtiger als die Majorität; denn sie besteht aus wenigen kräftigen

Vorgängern, aus Schelmen, die sich akkommodieren, aus Schwachen, die sich

assimilieren, und der Masse, die nachtrollt, ohne nur im mindesten zu wissen, was sie

will.“

 

Nationales:

664      1798 Zu Hermann und Dorothea: Goethe habe hier, „was das Material betrifft, den

Deutschen einmal ihren Willen getan“, und nun seien sie äußerst zufrieden.

Etwas naive Idyllik, „Dienen lerne beizeiten das Weib“ usw.

970      Weltliteratur: Literatur alles andere als nur deutsch verstanden!

976      1827 Das Bestrebend der besten Dichter aller Nationen sei „auf das allgemein

Menschliche“ gerichtet. „Was nun in den Dichtungen aller Nationen hierauf hindeutet

und hinwirkt, dies ist es was die übrigen sich anzueignen haben. Die Besonderheiten einer jeden muss man kennen lernen, um sie ihr zu lassen, um gerade dadurch mit ihr

zu verkehren; denn die Eigenheiten einer Nation sind wie ihre Sprache und ihre

Münzsorten, sie erleichtern den Verkehr, ja sie machen ihn erst vollkommen möglich.“

1032    1830 „Bald soll ich stolz sein, bald egoistisch, bald voller Neid gegen junge Talente,

bald in Sinnenlust versunken, bald ohne Christentum, und nun endlich gar ohne Liebe

zu meinem Vaterlande und meinen lieben Deutschen.“

 

Einzelnes:

733      Carl August: „Menschen, die nicht wissen, was sie der allgemeinen Schicklichkeit

zuliebe verschweigen oder wenigstens nicht öffentlich sagen sollten, sind höchst

unbrauchbar und schädlich.“

998      Wanderjahre, Pädagogische Provinz: Juden werden hier nicht geduldet,

            wohl auch wegen ihrer mutmaßlichen Geschäftstüchtigkeit nicht.

302, 330, 345, 353, 363, 470, 724 u.v.a. Kapitel Goethe als Geheimer Rat u.a. tätig, viel

erstrebend, wenig erreichend, in Politik und Intrigen verstrickt, versucht, sich treu zu

bleiben, macht seine Erfahrungen.

 

Sonstiges:

 

Frankfurt:

1          Über Frankfurt am Main zur Zeit Goethes.

39        Abneigung Goethes gegen Vaterstadt.

135      „Frankfurt bleibt das Nest“.

261      Abschied von Frankfurt

 

Kindheit, Jugend, Studium:

29        Lernte früh Sprachen: Latein, Griechisch, Französisch, Italienisch Grundzüge,

Englisch, Jiddisch, Hebräisch.

45, 71  Als Student in Leipzig: Stutzer und Prahler.

 

Literarische Verarbeitung Antike (außer Gedichten):

150      1772 Plan für Caesar-Drama, nur ein paar Sätze erhalten.

150      1772 Plan für Sokrates-Drama, dem „philosophischen Heldengeist“.

171      1772 Homer, Xenophon, Plato, Anakreon und Pindar hätten ihn ganz in Beschlag.

437      1779 Iphigenie auf Tauris.

421      1787 Plan zu Iphigenie auf Delphos.

492      1787 Dramenfragment „Nausikaa“ auf Sizilien begonnen. 150 Verse.

702      1797 Schiller weist darauf hin, dass das hochstilisierte klassische

            Schönheitsideal z.B. mit Homer gar nicht zusammen passt.

658      1799 Epenfragment Achilleis.

889      Goethe fertigte sich eine Nacherzählung der Ilias, um sie präsent zu haben.

930      1827 Goethe bezieht sich auf die Poetik des Aristoteles.

 

Entsagung, Tätig sein mehr als Bildung / Arbeit als Verarbeitungsstrategie:

969      Ratschläge für junge Dichter: Muse kann begleiten, aber nicht leiten.

988      Wanderjahre: Lieber eines richtig tun, als Halbheiten. Daraus Erfolg.

989      Wanderjahre: Tätigkeit ist wichtiger als Bildung.

990      Wanderjahre: Entsagung macht frei für Konzentration auf Wesentliches.

196      Arbeit am „Werther“ als Rettung.

262      1775 „O wenn ich jetzt nicht Dramas schriebe ich ging zugrund“.

787      1805 Tätige Bewältigung von Schillers Tod.

940      1824 Arbeitseifer nach Absage U. v. Levetzow.

 

Goethe meidet Beerdigungen und Trauerfeierlichkeiten:

767      „Ich habe mich wohl in acht genommen, weder Herder, Schiller, noch die verwitwete Herzogin Amalia im Sarge zu sehen. Der Tod ist ein sehr mittelmäßiger Portraitmaler.

... Die Paraden im Tode sind nicht das, was ich liebe.“

949      1827 Frau von Steins Leichenzug führte bewusst nicht an Goethes Haus vorbei.

1025    1828 Goethe bleibt den Trauerfeierlichkeiten für Carl August fern, „um jenen düstern

Funktionen zu entgehen, wodurch man, wie billig und schicklich, der Menge

symbolisch darstellt was sie im Augenblick verloren hat, ...“

 

Einzelnes:

828      Gartenliebhaberei meist als Zeichen von Dilettantismus. Sie laufe auf etwas Endloses

hinaus, verkleinere das Erhabene in der Natur, phantasiere willkürlich und möchte sich

nicht disziplinieren. Dies sei der herrschenden Geistesart gemäß.

995      Wanderjahre: Gegen Schuluniform, sie verdecke den Charakter.

            (Goethes Meinung?)

973      1820 Grundsätze des Kritisierens, zerstörend vs. produktiv.

967      1825 Gegen technische Schnelllebigkeit der Zeit, Oberflächlichkeit. Reizbarkeit.

623      Verlegungsgeschichte von Goethes Werken.

1041     Goethe-Ausgaben, Sekundärliteratur, ausführlich dargestellt.

 

Zu diesem Buch:

 

Vorzüge von „Goethe – Leben und Werk“ von Karl Otto Conrady:

-         Der Stoff wird gut gegliedert und in einer verständlichen Sprache leicht und angenehm aufbereitet. Der Leser wird an der Hand genommen und sicher geführt; nichts bleibt unerklärt – auf Niveau muss keinesfalls verzichtet werden: Es entwickelt sich vor den Augen des Lesers in jener angemessenen Einfachheit, die der Wahrheit ziemt.

-         Zahlreiche Wiederholungen und Rückbezüge machen die fortwährende Präsenz eines Themas in Goethes Leben erkennbar, wobei das bisher dazu Gesagte jeweils noch einmal kurz vergegenwärtigt wird.

-         Es kommt sehr gut zum Ausdruck, wie Goethes Leben sich schrittweise entwickelt hat, wie er als Mensch in seinem Leben wie im Nebel tappend unsicher ist über die Wahl der zahlreich sich ihm bietenden Möglichkeiten, ohne Überblick. Vieles vergebens planend, wollend und meinend, nur um dann, abhängig von Zufällen und Umständen, ganz andere Wendungen des Lebens durchzumachen. Wie sich schrittweise erst Klarheit und Überblick einstellt, von Stufe zu Stufe.

-         Stets bietet der Autor kenntnisreichen Einblick in das Umfeld des jeweiligen Themas, sei es Gesellschaft, Geschichte, Naturwissenschaft, Literatur oder anderes, so dass der Leser über eine gute Grundlage für eigenes Verstehen verfügt.

-         Der Leser bekommt alle Karten in Form von Originalzitaten offen auf den Tisch gelegt und kann selbst mitdenken, wenn der Autor seine Thesen entwickelt.

-         Die Fülle an Originalzitaten und anderen Detailinformationen erspart dem Leser das laufende Nachschlagen parallel zur Lektüre.

-         Zu sämtlichen Werken Goethes wird ein aussagekräftiger Interpretationsansatz aus dem Kontext seiner Zeit- und Lebensumstände gegeben, der vollauf befriedigen muss.

-         Der Autor enthält sich aller vorschnellen Schlüsse und übt ehrliche Zurückhaltung, wo hinreichende Belege fehlen und andere Autoren ihre Phantasie blühen lassen.

-         Der Autor betreibt keine Enthusiasmierung des Themas unter Ausblendung bzw. Abmilderung problematischer Aspekte aus Gründen der Zensur, der Konfliktscheue, der Anbiederung an eine weniger gelehrte aber dafür um so breitere Leserschaft, oder aufgrund eines parteilichen Sendungsbewusstseins, ganz im Gegensatz zu einem Großteil der populären Sekundärliteratur, die stets eine gewisse Vereinnahmung betreibt, sei es für links oder rechts, für Christentum oder Atheismus, für Anthroposophie, Esoterik oder auch staatstragende Gesinnung.

 

Abnahme der Qualität gegen Ende des Buches:

-         Der Chronologische Überblick geht durch allzu viele Sprünge verloren.

-         Teilweise fehlen Zitatbelege.

-         Manches ist sehr knapp gehalten, z.B. Christianes Tod, Eckermann, Islam.

-         Mehrere Themen werden zusammenhanglos in einem Kapitel untergebracht.

 

Alles in allem ein reiches Buch, voller Anregungen, voller Eindrücke über Menschen und die menschliche Gesellschaft, die tausend kleine und große Einsichten vermitteln bzw. angenehm bestätigen. Die Ordnung dieser gewaltigen Stoffmasse in solcher Detailliertheit stellt eine beeindruckende Leistung dar. Ein Buch, das der Leser bei vielerlei Gelegenheiten immer wieder gerne zur Hand nehmen wird, ein Leben lang.

 

Zu diesem Exzerpt:

 

Was aufgenommen wurde:

-         Dinge, die mehr abseits liegen, weniger Bekanntes.

-         Verstreutes, was so erst in einen Zusammenhang zusammengeführt wurde.

 

Was nicht aufgenommen wurde:

-         Der Ablauf von Goethes Leben, also ganz Wesentliches.

-         Leicht zu findendes.

-         Werkinterpretationen und jeweils angeschlagene Themen.

-         Tausend interessante Kleinigkeiten.

 

Zweck:

-         Um den Reichtum dieser Biographie im Geist präsent zu behalten.

-         Um späteres Nachschlagen zu erleichtern.

-         Um einen Ordnungsrahmen Grund zu legen, der die dauerhafte Aufnahme und Präsenz weiterer Kenntnisse zu Goethe erleichtern wird.

 

Finis.

 



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Seite zuletzt geändert: Juni 2008
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